Es ist das Zeitalter der Online-Arbeit: Das Leben auf einer schönen Insel mit der Arbeit unter Kokosnusspalmen – was für viele wie ein absoluter Traum klingt, ist für manche bereits Alltag. Digitale Nomadinnen und Nomaden sind auf der ganzen Welt zu Hause, denn sie können überall arbeiten. Die einzigen Voraussetzungen sind ein funktionierender Internetzugang und ein Laptop. Trotzdem müssen einige Punkte beachtet werden, denn je nach Berufsgruppe gibt es verschiedene Steuerfaktoren, die man im Blick haben sollte.

Kursierende Fehlinformationen zum Beispiel über angebliche Steuerfreiheit bei der Arbeit im Ausland haben spätestens dann schwere Folgen, wenn Sie im Ausland einen festen Wohnsitz anmelden – oder gegebenenfalls sogar in Ihre alte Heimat zurückziehen möchten. Aber keine Panik, wir erklären, worauf Sie achten müssen, damit dem digitalen Nomadentum nichts im Weg steht.

Einkommensteuer am Erstwohnsitz als Selbständige oder Selbständiger

Genauso wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterliegen auch Selbstständige nach deutschem Steuerrecht der Pflicht, ihre Einkommensteuer bei der Steuererklärung einzureichen – das ist in der deutschen Rechtsnorm festgesetzt. Das gilt für alle, die ein eigenes Unternehmen haben oder als Freelancerin oder Freelancer arbeiten. Dass die Selbstständigkeit immer beliebter wird, überrascht nicht, denn die Stundensätze haben seit der Corona-Pandemie neue Rekordwerte erreicht.

Auch der vorherrschende Fachkräftemangel in der deutschen Wirtschaft sorgt für den Popularitätszuwachs bei freiberuflichen Tätigkeiten, wie die aktuelle Studie des Instituts der Wirtschaft (IW) und der staatlichen Förderbank KfW zeigt. Laut der Studie fehlten zwischen Juli 2021 und Juli 2022 in Deutschland über alle Berufe hinweg mehr als eine halbe Million Fachkräfte. Das macht einen Missstand von rund 537.923 qualifizierten Arbeitskräften aus.

Selbstständigkeit liegt im Trend

Während der Pandemie waren die Stundensätze für Freiberuflerinnen und Freiberufler nahezu unverändert. Doch trotz der Inflation, den Nachwehen der Pandemie und dem Ukraine-Konflikt verdienen sie heute mehr denn je.

Die gute Neuigkeit: Das Fachgebiet der IT-Freelancerinnen und IT-Freelancer ist besonders gefragt. Sie stehen ganz oben auf der Erfolgsleiter des Arbeitsmarkts und können sich ihre Projekte frei auswählen. Laut der neuen Studie des Freelancer-Kompass 2022 und der Sonderauswertung für IT Freelancer hat ihr Durchschnittseinkommen mittlerweile 96 € pro Stunde erreicht. Deshalb ist es besonders für sie wichtig, bei der Steuer zu wissen, worauf es ankommt, um erfolgreich dem digitalen Nomadentum zu frönen.

Im Blick sollten dabei vor allem die Abgabenordnung, das Einkommensteuergesetz und die Einkommensteuer-Durchführungsverordnung behalten werden. Seit 2017 müssen Selbständige in Deutschland ihre Steuererklärung ausschließlich online einreichen. Genaue Einkünfte sind dabei nicht vordergründig wichtig, da die Einkommensteuererklärung unabhängig von ihrem erzielten Einkommen eingereicht werden muss – und zwar jährlich. Besonders die Erstellung der ersten Steuererklärung wirkt für viele wie ein bürokratisches Monster. Sie ist aber gut selbst zu bewerkstelligen.

Im Grunde funktioniert das ganz simpel. Wie hoch die Einkommensteuer konkret ausfällt, hängt von der Höhe des erworbenen Einkommens ab. Besonders wichtig ist für die meisten in freiberuflicher Tätigkeit dabei die Einnahmenüberschussrechnung. Dabei hilft eine saubere Buchführung über das Jahr hinweg, Zeit und Nerven zu sparen, wenn die Frist zur Abgabe näher rückt.

Einnahmenüberschussrechnung

Die Einnahmenüberschussrechnung muss seit 2011 ausschließlich in elektronischer Form und online beim Finanzamt eingereicht werden. Dafür gibt es verschiedene Plattformen, die genutzt werden können, wie beispielsweise WISO Steuer. Freelancerinnen und Freelancer haben bei ihrer Einnahmenüberschussrechnung die Pflicht, alle Nachweise zu Kosten, Einnahmen und sonstigen betrieblich und steuerlich relevanten Dokumenten bis zu zehn Jahre aufzubewahren.

Um eine ordentliche Buchführung kommt dabei leider niemand herum. Aber für die Steuererklärung müssen nicht alle Nachweise unaufgefordert eingereicht werden. Stattdessen benachrichtigt das zuständige Finanzamt, sollten noch Dokumente benötigt werden. In jedem Fall muss eine Reihe von weiteren Formularen (Mantelbogen, Anlageformulare EÜR, Anlage G, Anlage S, Gewerbesteuererklärung, Umsatzsteuererklärung und Anlage Coronahilfen) von Selbständigen für die Einkommensteuer direkt beim Finanzamt über Steuer-Plattformen eingereicht werden.

Ausnahmeregeln

Ausnahmen bestätigen die Regel – zumindest manchmal. Wenn Freiberuflerinnen und Freiberufler keine Plattformen nutzen können, müssen sie beim Finanzamt eine Ausnahmeregelung beantragen. Für eine spätere Einreichung haben sie bis maximal zum 31. Juli des Folgejahres Zeit. Bei einer Zusammenarbeit mit einer Steuerberatung kann aber zum Beispiel eine Fristverlängerung von bis zu 14 Monaten beantragt werden. Deren Genehmigung hängt aber von der Entscheidung der Finanzämter ab. Wenn einige Male die Frist zur Einreichung in den Vorjahren nicht eingehalten wurde, wird es gegebenenfalls zu einer Absage vom zuständigen Finanzamt kommen. Dann muss die Einkommensteuererklärung innerhalb der folgenden vier Monate eingereicht werden.

Wie sieht die Steuerpflicht für digitale Nomadinnen und Nomaden mit Zweitwohnsitz aus?

In den meisten EU-Ländern ist die Steuerpflicht an den Wohnsitz geknüpft. In Deutschland gelten Personen, die ihren Wohnsitz gemäß § 8 AO oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt gemäß § 9 Satz 1 AO in Deutschland haben, gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig. Sobald also aus steuerlicher Sicht ein Wohnsitz in Deutschland unterhalten wird, wird auch dort das gesamte global erwirtschaftete Einkommen steuerpflichtig.

Leider gilt das auch dann, wenn eine Person nur ein Jahr im Ausland verbracht hat, aber kein anderer Wohnsitz angemeldet war. Bereits bei der Eröffnung eines Privat- oder Geschäftskontos im Ausland ohne festen Wohnsitz beginnt somit der Seiltanz für Online-Arbeitende. Denn dazu brauchen sie sowohl ein gültiges Ausweisdokument als auch einen geeigneten Nachweis des aktuellen Wohnsitzes.

Und auch für Kontoeröffnungen braucht es einen festen Wohnsitz. Leider glauben immer noch viele, Finanzämter würden von einem wiederholten, aber kürzeren Aufenthalt oder einer Auslandswohnung nicht erfahren. Das ist aber ein Irrglaube, denn im Zweifel bringen Kreditkarten, Nutzer- und Gästeverzeichnisse oder auch Passagierprotokolle von Airlines oft die Wahrheit ans Licht. Deshalb ist es besser, auf Nummer sicherzugehen und sich die wichtigsten Aspekte für eine erfolgreiche Einkommensteuererklärung als digitale Nomadin und Nomade anzusehen – dann kann auch nichts schiefgehen.

Was steckt hinter der sogenannten 183-Tage-Regelung?

Die 183-Tage-Regel ist wohl die bekannteste unter Selbstständigen im Ausland. Aber was hat es damit auf sich? Die Regel besagt, dass digitale Nomadinnen und Nomaden unter (Steuer-) Residenz in einem Land stehen, wenn sie sich dort für 183 oder mehr Tage in einem Kalenderjahr aufhalten. Nach einer vereinfachten Betrachtung können unter dieser Regel in insgesamt zwei Ländern je 183 Tage verbracht werden, außer in Schaltjahren.

Verbleibt die Arbeit bei weniger als 183 Tagen im Ausland und wird derselbe Arbeitslohn wie in Deutschland verdient, bleibt diese Berufsgruppe weiterhin in Deutschland steuerpflichtig. Die Regelung greift jedoch nur, wenn alle genannten Bedingungen gleichzeitig erfüllt sind. Liegt dagegen kein fester Wohnsitz mehr in Deutschland vor und wurde mehr als 183 Tage im Ausland gelebt, verfällt die Steuerpflicht in Deutschland für die Zeit des Aufenthalts in einem anderen Land.

Etwas Verwirrung kann um die Regel außerdem entstehen, da diese nicht umgekehrt gilt. Das heißt, dass keine Steuerresidenz im Ausland vorliegt, wenn der Aufenthalt weniger als 182 Tage beträgt. In welchem Land letztlich die Steuerpflicht gilt, lässt sich an zwei Fragen herleiten:

1. Wo ist das Zentrum der persönlichen und wirtschaftlichen Interessen?

2. Wo halten sich der/die Ehepartner/-in und Kinder auf?

Vielleicht denkt jetzt die/der eine oder andere: Wer wird das denn kontrollieren? In der Theorie zumindest fehlt es tatsächlich in vielen Ländern an Kontrollen. Aber es ist trotzdem besser, sich an die Rechtslage zu halten. So lohnt es sich als Internet Nomadin und Nomade, alles gut zu durchdenken und zu planen, um mögliche Probleme zu vermeiden.

Gewerbe richtig versteuern und die Rentenvorsorge nicht vergessen

Grundsätzlich ist es für digitale Nomaden und Nomadinnen wichtig, sich gut vorzubereiten, damit die Arbeit im Ausland gelingen kann. Im Gegensatz zu Freelancerinnen und Freelancern mit festem Wohnsitz in Deutschland müssen sie mit dem ausländischen Zweitwohnsitz ihr Gewerbe und gewerblichen Einkünfte anmelden.

Haben sie dagegen bereits ein Gewerbe in Deutschland, dürfen sie dieses aus dem Ausland fortführen und geben es bei ihrer Steuererklärung mit an. Wird der ständige Wohnsitz in Deutschland gekündigt, muss das Gewerbe dagegen im Ausland angemeldet werden. Unter bestimmten Bedingungen kann auch ein Gewerbe ohne festen Wohnsitz in Deutschland angemeldet werden. Weiterführende Informationen hierzu können beispielsweise auf der Existenzgründungsplattform des BMWK gefunden werden.

Umsatzsteuererklärung bei Arbeit im Ausland

In den Topf der gesetzlichen Rentenversicherung zahlen Freelancerinnen und Freelaner aber weder in Deutschland noch im Ausland ein. Dennoch müssen sie eine Umsatzsteuererklärung machen, wie bei normaler Arbeit innerhalb Deutschlands auch. Außerdem muss die Berufsgruppe privat vorsorgen. Wenn der Erstwohnsitz dagegen in Deutschland bleibt, kann auch dort in die Deutsche Rentenversicherung eingezahlt werden. Gegebenenfalls lohnt sich aber auch der Erwerb von Immobilien, das Investieren in Aktien oder Riester-Förderungen, um privat vorzusorgen.

Eine Ausnahme für die Pflicht zur Umsatzsteuer bildet die Zusammenarbeit mit ausländischen Firmen. Hier greift das “Reverse-Charge-Verfahren”. Das Verfahren dreht die Umsatzsteuerschuldnerschaft bei grenzüberschreitenden Lieferungen um: Nicht leistende Unternehmerinnen oder Unternehmer führen die Umsatzsteuer an das Finanzamt ab, sondern die Kundinnen oder Kunden.

Eine internationale Auslandskrankenversicherung sollte wie bei allen Auslandsaufenthalten zum Standard für Freelancerinnen und Freelancer gehören. Hier hängen die Beiträge von Versicherung und Dauer des Auslandsaufenthalts ab. In jedem Fall empfiehlt sich eine frühe Auseinandersetzung mit dem Thema Rente. Dann können individuelle Lösungen gefunden werden, die auch ein Einkommen im Alter sichern.

Ganz einfach ist das digitale Nomadentum also nicht. Um alle Aspekte abzudecken, sollten die notwendigen Behördengänge und Formalitäten deshalb rechtzeitig vor dem Start ins Abenteuer “Arbeiten im Ausland” erledigt werden. Und wenn schon während des Jahres eine gute Buchführung gepflegt und der Überblick behalten wird, muss am Ende die Steuererklärung nur abgearbeitet werden.

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Peter Schmitz ist seit 2009 Geschäftsführer der Buhl Tax Service GmbH. Innerhalb der Buhl-Unternehmensgruppe ist er verantwortlich für die Entwicklung und den Vertrieb der steuerlichen Software und Services. Peter Schmitz verfügt über ein umfangreiches steuerliches Fachwissen und vielfältige Erfahrungen in der Software-Entwicklung und Vermarktung von Online-, Software- und Print-Produkten. Nach seiner zehnjährigen Tätigkeit in der Finanzverwaltung wechselte der Steuerexperte 1993 in das Verlags- und Software-Geschäft: Zunächst als Fachautor und Produktmanager, später als Verlagsleiter bei Wolters Kluwer. Hier wurde er 2009 als "Business Manager of the Year" ausgezeichnet. Seit 2009 führt er die Steuer-Sparte bei Buhl und verantwortet in dieser Funktion unter anderem die Weiterentwicklung von WISO Steuer und tax.

2 Kommentare

  1. Danke für die umfassende Ausarbeitung! Was ich noch interessant finden würde, ist die Behandlung der Gewerbesteuer, wenn man an vielen Standorten in Deutschland während des Jahres arbeitet. Quasi für die Innland-Digitalen-Nomaden 😉 Wenn ich gewöhnlich von Berlin aus arbeite aber für 6 Monate ein Projekt in München mache, würde es bedeuten die Gewerbesteuer für die Einnahmen aus diesem Zeitraum an Stadt München zahlen zu müssen?

  2. Seine Gewerbesteuer-Erklärung gibt man dort ab, wo man seinen „Betrieb“ hat, §22 Abgabenordnung (AO). Genauer gesagt, wo sich die Geschäftsleitung befindet. Bei einem Freelancer würde man also von dem Ort ausgehen, wo er sein Gewerbe angemeldet hat. Egal, ob er für Kunden in anderen Städten gearbeitet hat.
    Ähnlich wie bei einem Handwerker, der ja auch Kunden besucht und dort tätig wird. Für die Gewerbesteuer zuständig ist trotzdem sein „Betriebs-Finanzamt“, also wo der Betrieb liegt. Oft wird das bei einem Freelancer der eigentliche Wohnort sein.

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