Der IT-Fachkräftemarkt ist angespannt. Und das kommt nicht von ungefähr. Denn während im ersten Quartal 2022 die Zeichen noch auf einen kräftigen Ausbau der IT-Teams standen, um die Digitalisierung voranzubringen, gab es laut Hays Fachkräfte-Index im zweiten Quartal bereits den ersten Nachfragedämpfer (- 13 Prozentpunkte).  Hier vermieste bereits die sich abzeichnende Inflation die Einstellungslaune bei den Unternehmen. Im Herbst 2022 bewahrheitete sich schließlich, wovor sich alle gefürchtet hatten: Inflation, Preissteigerung und dazu noch der anhaltende Ukraine-Krieg. An mehr Ausgaben für teure IT-Fachkräfte war einfach nicht mehr zu denken. Dieser Trend hat sich im abgelaufenen vierten Quartal weiter leicht nach unten entwickelt: Die Nachfrage ging abermals leicht zurück (– 9 Prozentpunkte).

Aber warum ist das so?

Trotz Krise: Unternehmen zählen auf externe IT-Fachkräfte

Immerhin bleiben pro Quartal deutschlandweit über 130.000 IT-Stellen offen. Die prekäre Lage bei der Nachfrage nach fähigen IT-Kräften darf am Ende nicht den Eindruck erwecken, dass nur noch hochqualifizierte „Nerds“ gefragt sind, die allerdings ihren Preis haben, und damit für viele Unternehmen gar nicht erst in Frage kommen. Zwar macht sich auch bei den ansonsten so optimistisch veranlagten IT-Freiberuflern der Pessimismus breit:

„Die aktuelle Krisensituation geht keineswegs spurlos an den Selbständigen vorbei.“

Thomas Maas, CEO bei Freelancermap.

Aber nicht alles ist in Wahrheit so, wie es auf den ersten Blick scheint. Denn trotz negativer wirtschaftlicher Vorzeichen, birgt das Beschäftigungsfeld der IT-Freelancer echte Schätze, die gehoben werden wollen. Die Rede ist von Kompetenzfeldern wie der Softwareentwicklung, der Cloud Transformation oder die IT Security, die bereits viele Unternehmen, 72 Prozent laut der jüngsten Lünendonk-Erhebung mit Externen besetzen. Krise hin oder her.

„Bei der Software-Entwicklung geht es häufig darum, alte Software an neue Anforderungen im Business anzupassen,“ weiß Christoph Kugelmann, Vertriebs-Chef des Personaldienstleisters Etengo.

„Beim Cloud-Business ist die Aufgabenstellung für einen erfahrenen IT-Freelancer schon etwas grundsätzlicher. Er muss konzeptsicher sein und die Architekturen kennen, um am Ende einen reibungslosen Datentransfer gewährleisten zu können.“

Christoph Kugelmann, COO Etengo.

Besonders hohen Bedarf haben Unternehmen auch im Bereich IT-Security. Hier geht es im Wesentlichen darum, dass diese Experten die Zusammenhänge in puncto Sicherheitsarchitekturen verstehen. Sie sollten ebenfalls Schwachstellenanalysen sowie Penetrationstests und Identitäts- und Access Management beherrschen. „Zusätzlich werden auch immer mehr IT-Security-Experten beauftragt, um die Mitarbeiter unserer Kunden zum Thema „IT-Security“ generell zu beraten und zu sensibilisieren,“ so Alexander Raschke, Vorstand von Etengo.

Die Kompetenzbereiche Cloud und Security sind am lukrativsten

Auch die Marktforscher von Lünendonk sehen die größte Nachfrage bei Spezialisten für Softwareentwicklung und Cloud-Services sowie bei der IT-Security. Wobei ihrer Umfrage zufolge auch weiterhin SAP-Berater bei den beauftragenden Unternehmen hoch im Kurs stehen. Hier gibt es sogar einen verstärkten Handlungsdruck, da spätestens im Jahr 2030 die Wartung bisheriger ERP-Produkte ausläuft. IT-Freiberufler, die bereits zehn Jahre Erfahrung im Bereich IT Security oder IT-Auditierung aufweisen, dürften von dieser Nachfrageentwicklung am meisten profitieren, denn sie erhalten aktuell am Markt die höchsten Stundensätze. Zwar sind die Angaben von Lünendonk ungestützt, aber nach Auskunft diverser Personaldienstleister kann ein erfahrener Experte in diesem Bereich durchaus bis zu 210 EUR pro Stunde veranschlagen. Dicht gefolgt von der SAP-Beratung und der Cloud-Transformation. Als Durchschnittswert wurden 110 EUR angegeben. Allerdings gibt es auch Faktoren, die diese Stundensätze erheblich beeinflussen. „Wenn jemand remote arbeitet oder Projektlaufzeiten zwischen 12 und 18 Monaten vereinbart, wirkt sich das auch auf die Verrechnungssätze aus,“ weiß Christoph Kugelmann. Erfahrung in Kombination mit einer hohen fachlichen Spezialisierung sind für Unternehmen immer noch die ausschlaggebenden Faktoren für einen schnellen, hochdotierten Auftrag. Aber auch diesen lukrativen Projektbereichen gehen irgendwann einmal die Spezialisten aus.

Der externe IT-Nachwuchs versteht sich auf neue Technologien

Denn schon heute wandert viel wertvolles Knowhow in den Ruhestand. Langjährige Programmierer, die noch die Programmiersprache Cobol beherrschten, Projektleiter, die Gesamtverantwortung für internationale Teams stemmen konnten oder auch Spezialisten im IT-Infrastrukturumfeld, die Legacy-Systeme betreut haben. 

Eine gute Chance für die nachrückende Freiberufler-Generation, sich auf unterschiedlichen Feldern der IT zu beweisen. Zwar setzt sich diese Kohorte nur noch selten mit alten Programmiersprachen auseinander, dafür bringen sie allerdings frisches Knowhow für die Einführung neuer Technologien mit. „Junior-Experten sind vermehrt an neuen Technologien, wie zum Beispiel der künstlichen Intelligenz interessiert. Sie sind wissbegierig und bereit, sich damit intensiv auseinanderzusetzen,“ so Kugelmann weiter.  Und die Nachfrage nach diesen Kompetenzen steigt stetig.

Allerdings haben laut dem Etengo-Manager diejenigen IT-Freiberufler die besten Chancen auf lukrative Projekte, denen es nicht nur um das Fachliche, sondern auch die Kommunikationsfähigkeit geht. Will heißen, die Zeiten der verstockten „IT-Nerds“ im Hinterzimmer sind passé. IT-Freiberufler, die sich darauf verstehen, ihre Auftraggeber und Projektteams thematisch aufzugleisen, Hintergründe zu erläutern und eigene Schritte innerhalb des Projekts nachvollziehbar zu machen, werden klar im Vorteil sein. Auch finanziell. Denn solange es zwischenmenschlich gut funktioniert, werden fachlich schon einmal Abstriche gemacht. So die Überzeugung der Personaldienstleister.

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Silvia Hänig ist Inhaberin der Kommunikationsberatung iKOM strategische Kommunikation. Als strategische Beraterin im Bereich „Arbeiten der Zukunft“ beschäftigt sich Silvia Hänig im Zuge des Corporate Positioning sowie der Dialoggestaltung mit arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischen Zusammenhängen. Sie versteht sich als Medienunternehmerin sowie Communication & Employer Relations Expertin. Als erfahrene Strategin begleitet sie Marketing- und Kommunikationsentscheider*innen national und international tätiger Unternehmen/NGOs dabei, in komplexen und unsicheren Situationen fokussiert und differenziert zu kommunizieren. Kommunikation ist für sie das zentrale verbindende Element für das Zusammenspiel von Transformation, Reputation und Wachstum.

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