Carlos Frischmuth, Vorsitzender des ADESW / Leiter der Hauptstadtrepräsentanz, Director Public Services und Director Compliant Sourcing der Hays AG. Jurymitglied beim Wettbewerb zum IT Freelancer des Jahres 2017[
Nikolaus Reuter, Gründer und CEO der Etengo (Deutschland) AG, einem Personaldienstleister, der IT Freelancer an Endkunden vermittelt. Das im kurpfälzischen Mannheim ansässige Unternehmen war das erste, welches die Open Book-Policy, also eine Offenlegung der einbehaltenen Provision bei der IT Freelancer-Vermittlung, auf dem deutschen Markt angewendet hat. Jurymitglied beim Wettbewerb zum IT Freelancer des Jahres 2017
]Die ADESW hat in Kooperation mit dem DIW Berlin und dem Institut für Demoskopie Allensbach im Februar 2018 eine Studie herausgebracht, die das Gegenteil nahelegt. Demnach sorgen aktuell 82% aller IT Freelancer wahrscheinlich hinreichend für ihr Alter vor. Die übrigen seien überwiegend jüngere IT Freelancer, bei denen man erwarten kann, dass sie im Laufe ihres weiteren Erwerbslebens noch entsprechendes Vermögen zwecks Altersvorsorge aufbauen werden. Dementsprechend erwartet auch nur ein Zehntel aller 1.532 repräsentativ befragten IT Freelancer, dass das Geld im Alter knapp werden könnte. (Studie Seite 52 f.)
IT Freelancer Magazin: Herr Frischmuth, die Zeichen im politischen Berlin stehen aktuell auf eine verpflichtende Altersvorsorge für Selbständige (siehe auch Beitrag im IT Freelancer Magazin). Können Sie da mit dieser Studie nochmal etwas zu Gunsten der Entscheidungsfreiheit von IT Freelancern drehen?
Carlos Frischmuth: Unsere aktuelle Studie hatte das Ziel der Politik handfeste Daten zu den selbständigen IT-Experten an die Hand zu geben. Denn es gibt leider keine ausreichenden Informationen zu dieser wichtigen Gruppe. Alle Datenquellen wie der Mikrozensus oder das SOEP (Sozio-Ökonomische-Panel) liefern zu der Verdienstsituation und Altersvorsorge von Selbständigen nur sehr dürftige Informationen. Wir wollen ein Bewusstsein in der Politik und Gesellschaft schaffen, dass es nicht „die eine Gruppe“ der Solo-Selbständigen gibt. Die gesamte Gruppe ist sehr heterogen. Personen unterschiedlichster Berufsfelder gehören dazu. Künstler, Journalisten und Experten wie natürlich auch IT-Spezialisten, Ingenieure oder Unternehmensberater. Hier gibt es erhebliche Unterschiede in den ausgeübten Tätigkeiten, den spezifischen Marktgegebenheiten und natürlich auch Vergütungshöhen. Wenn die Studie bewirkt, dass in der Politik nicht mehr über „die Solo-Selbständigen“ als Ganzes gesprochen wird, die alle prekär und schutzbedürftig sind, dann haben wir bereits viel gewonnen. Wir haben jetzt einen ersten Aufschlag zu einer besseren Datenlage gemacht, das war uns wichtig. Denn jetzt ist empirisch belegt: Selbständige IT-Experten sorgen in der Regel (sehr) gut und vertrauensvoll für ihr Alter vor. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass diese Botschaften am Ende auch in der Politik ankommen.
IT Freelancer Magazin: Herr Frischmuth, diese Studie ist, was die finanzielle Situation der IT Freelancer angeht, sehr erhellend. Aber sie nützt der IT Freelancer Community ja erst dann wirklich etwas, wenn deren Botschaft zu den Entscheidungsträgern – in erster Linie wohl den Bundestagsabgeordneten – gelangt. Wie kann man sich das nun konkret vorstellen? Drucken Sie die Ergebnisse jetzt in einer Broschüre ab und werfen diese dann in die Abgeordnetenbriefkästen ein?
Carlos Frischmuth: Unsere Studie wurde bereits vom Handelsblatt aufgegriffen und der Journalist Herr Thelen hat dazu einen exzellenten Artikel geschrieben, der den Nagel auf den Kopf trifft. Bereits am nächsten Tag gab es einen weiteren Artikel, der sich mit dem Statusfeststellungsverfahren beschäftigte. Der Artikel bezog sich auf eine Kleine Anfrage der Grünen, welche ebenfalls deutlich macht, dass hier Modernisierungsbedarf besteht. Wir können also erkennen, dass die Selbständigen momentan mit Ihren Anliegen für mehr Rechtssicherheit und Bürokratie-Abbau medial sichtbar und in Politik und Gesellschaft wahrnehmbar sind. Dies spiegelt sich auch im aktuellen Koalitionsvertrag wieder, der die Themen Altersvorsorge & Statusfeststellungsverfahren explizit aufgreift. Aber um Ihre Frage in Gänze zu beantworten: Neben unserer Studien-Website: www.freelancer-studie.de haben wir auch gedruckte Exemplare an Abgeordnete, Ministerien, Wissenschaftler und viele weitere gesendet. Immer mit der Bitte mit uns direkt in den Dialog zu treten. Ich bin guter Dinge, dass wir damit der Diskussionen einen positiven Impuls in die richtige Richtung geben können. Dazu kann jeder beitragen, indem er die Studie in den sozialen Medien teilt. So erzeugen wir gemeinsam mehr Reichweite und Sichtbarkeit.
IT Freelancer Magazin: Herr Reuter, Ihr Unternehmen Etengo (Deutschland) AG hat damals die ADESW mitgegründet. Solche Studien und die Verbandsarbeit insgesamt kosten ja erstmal Geld und das sicherlich nicht zu knapp. Mit der ADESW vertreten Sie und andere große Personaldienstleister in zahlreichen Bereichen die Interessen der IT Freelancer. Warum tun gewinnorientierte Unternehmen das?
Nikolaus Reuter: Ihre Frage impliziert, dass Unternehmen ausschließlich Dinge tun, die auf den eigenen Gewinn abzielen. Dem ist bekanntlich nicht so. Fast alle Unternehmen investieren auch in eine gute Zukunft. Sei es mit Blick auf die eigenen Mitarbeiter, Geschäftspartner, aber eben auch mit Blick auf den eigenen Markt bzw. die Branche. Der ADESW e.V. setzt sich als Bundesverband mit Herzblut und Leidenschaft für das Thema Selbständige Wissensarbeit in Deutschland ein. Denn wir sind zu tiefst davon überzeugt, dass selbständige Experten gemeinsam mit uns Projekt- und Personaldienstleistern einen ganz wichtigen Beitrag zur Innovations- und Zukunftsfähigkeit unseres Landes leisten. Es ist uns nach einigen Jahren harter Arbeit gelungen, uns im politischen Berlin als anerkannte Anlaufstelle zu dem sehr vielschichtigen Thema Arbeit 4.0 gerade im Kontext einer sich stark entwickelnden „Neuen Selbständigkeit“ – zu etablieren. Dabei machen wir uns insbesondere für die vielen freiwillig Selbständigen mit sehr gut funktionierenden und lohnenden Geschäftsmodellen, besonders in den höher qualifizierten Bereichen wie etwa der IT oder dem Ingenieurwesen, stark. Naturgemäß haben wir als Dienstleister und damit als Teil der Wertschöpfungskette in vielen Stellen gleichgerichtete Interessen mit den vielen Selbständigen und Solo-Selbständigen in diesen Bereichen der Wirtschaft. Wenn man diese Interessenvertretung mit einem Anspruch an Professionalität und Wirkung tun möchte, dann kostet das natürlich auch Geld. Die Etablierung eines Bundesverbandes war aber der logische nächste Schritt dieser Branche, die sich seit nunmehr 20 Jahren in Deutschland sehr erfolgreich etabliert hat und sich Jahr um Jahr stark entwickelt.
IT Freelancer Magazin: Herr Reuter, Sie sind als Gründer eines 150-köpfigen Personaldienstleister zweifellos selbst Unternehmer und machen sich sicherlich auch über Ihre (bislang noch freiwillige) Altersvorsorge Gedanken. Vielleicht haben Sie ja aus eigener Beschäftigung mit diesem Thema den ein oder anderen Tipp für die Leser des IT Freelancer Magazins bzgl. rentabler Altersvorsorge?
Nikolaus Reuter: Das Thema Altersvorsorge ist für jeden verantwortungsvoll handelnden Unternehmer eine zentrale Aufgabe. Für sich selbst, wie auch die eigenen Mitarbeiter. Unsere Allensbach-Studie hat ja imposant gezeigt, dass diese Verantwortung auch von unseren freiberuflichen Geschäftspartnern sehr ernst genommen wird. Eine gute Altersvorsorge sollte aus meiner Sicht modular aufgebaut sein. Ein guter Teil davon sollte verrentet sein, sprich man darf sich nicht nur auf Aktien, Erspartes oder Immobilien verlassen, denn diese Anlageklassen unterliegen Wertschwankungen und es nicht immer gesagt, dass man sie erstens bei Bedarf zum optimalen Marktpreis verkaufen kann und zweitens der Verkaufserlös tatsächlich bis zum Lebensende reicht. Ich persönlich zahle beispielsweise freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung ein, habe darüber hinaus aber mehrere private Vorsorgemodelle in Form von Rentenversicherungen mit unterschiedlichen Anlagestrategien von konservativ bis chancenorientiert. Meiner Meinung nach ist auch beim Thema Altersvorsorge ein guter Mix entscheidend. Was auch immer der Gesetzgeber nun tut, für mich ist entscheidend, dass für bestehende, gute Vorsorgemodelle wie etwa Rürup und Co. ein Vertrauens- und Bestandsschutz gilt. Denn die Aufgabe bereits lange besparter Modelle per Zwang würde Geld und damit Vorsorgevermögen vernichten. Das darf nicht sein und wäre auch nicht fair. Deutschland braucht für die Zukunft dringend eine große Rentenreform, die auch Phasen mit unterschiedlichen Erwerbs- und Lebensmodellen, so genannte Patchwork-Biografien, abbildet. Selbstredend darf es aber auch nicht sein, dass man fahrlässig alles Einkommen „verkonsumiert“ und sich dann im Alter auf die Solidargemeinschaft und eine Grundsicherung verlässt.
Herr Frischmuth, Herr Reuter, herzlichen Dank für dieses Interview.
Für die Studie wurde eigens sogar eine Webpräsenz geschaffen: https://www.freelancer-studie.de/
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