1.) Michaela Mellinger, welche fachlichen Schwerpunkte haben Sie als IT Freelancerin?
Ich unterstütze Unternehmen dabei, Change-Management-Projekte erfolgreich und mobbingfrei durchzuführen. Das Ziel dabei ist, dass der Zielkonflikt zwischen Share- und Stakeholdern offengelegt und aufgelöst wird. Durch moderne agile Arbeitsmethoden ist dies sehr effektiv möglich. Als ehemalige Führungskraft in Finanzabteilungen und Agile Coach bringe ich hier Welten zusammen, die sonst häufig im besten Falle nebeneinanderher arbeiten.
2.) Sie waren viele Jahre in der Kommunalpolitik für die SPD Oberbayern engagiert. Wie lassen sich Projektgeschäft und Kommunalpolitik unter einen Hut bringen?
Selbstständigkeit und Ehrenamt gehen sehr gut zusammen, da man als Selbstständige viel besser die eigene Zeit einteilen kann. Moderne Kommunikationsformen unterstützen dies noch zusätzlich.
3.) Sie haben sich in einem offenen Brief an den Bundesarbeitsminister und Ihren ehemaligen Parteigenossen Hubertus Heil gewandt. Dort begründen Sie Ihren Parteiaustritt aus der SPD mit deren Umgang mit IT-Freelancern. Haben Sie eine Antwort vom Minister bekommen? Wie fielen die übrigen Reaktionen aus?
Aus den Reihen der Freelancer erhielt ich viel Zustimmung. Die Genossinnen und Genossen äußerten ihr Bedauern bezüglich meines Rückzuges. Leider kam vom Ministerium oder dem Parlament bis heute keine Antwort auf den Brief, was ich sehr schade finde. Ich habe großes Verständnis dafür, dass dies kein einfaches Thema ist. Aber ein guter Politiker zeichnet sich doch gerade dadurch aus, dass er schwierige Themen gut vermittelt und vor allem zuhören kann. Und wie ich aus meiner Beratungspraxis weiß, kann man nicht nicht kommunizieren.
4.) Kann man nicht mehr Einfluss auf die Entscheidungen nehmen, wenn man noch im Spiel ist? Also in der Partei engagiert bleibt, die ausgerechnet das für Scheinselbständigkeit zuständige Ministerium leitet?
Ich habe leider erlebt, dass es für mich als Fachfrau nur geringste Einflussmöglichkeiten gibt, obwohl ich direkt betroffen bin. Für Oberbayern war ich auch die gewählte Vertreterin der Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen (AGS). Diese Aufgabe erfüllte ich mit großer Freude, denn die Vertretung der Mittelständler und Soloselbständigen ist bei der intensiven Lobbyarbeit von Konzernen eine spannende Aufgabe. Es wird für mich aber zunehmend schwer eine Partei als politische Heimat zu begreifen, die Selbstständige entweder als reiche Kapitalisten oder als prekäre Paketausfahrer sieht. Leider verlässt die SPD damit die Basis eines wichtigen Teils ihrer Gründungsgeschichte. August Bebel, einer der Parteigründer, war selbstständiger Handwerker. Die positive Grundhaltung zum freien Unternehmertum ist auch der Kernunterschied zwischen Sozialdemokratie und Kommunismus. Man kann durchaus sagen, dass die vielen Digitalisierungs-Experten heute das sind, was die Fabrik-Facharbeiter früher waren. Es braucht sicher eine Art SPD 4.0, die genau dies auch versteht.
5.) Sie sind ja ein politischer Mensch und möchten ihre politischen Aktivitäten trotz ihres Austritts aus der SPD nicht aufgeben, bei welcher Partei erwägen Sie einen Eintritt? (die Positionen der Parteien bzgl. Altersvorsorge der Selbständigen finden Sie in den Interviews des IT Freelancer Magazins)
Im Moment gibt es eine solche Partei für mich nicht. Alle jetzigen Parteien haben aufgrund Ihrer Historie eine spezifische Mitgliederzusammensetzung und vor allem Parteistrukturen, die veraltete Organisationsmodelle stärken. Aber ich beobachte im vorpolitischen Umfeld aufmerksam das Geschehen und beteilige mich parteiübergreifend an interessanten Arbeitsgruppen.
6.) MdB Dr. Martin Rosemann fordert auch von Selbständigen Solidarität (zum Interview). Finden Sie das nicht richtig?
Grundsätzlich bin ich da bei ihm. Ich halte viel von einer solidarischen Gesellschaft. Es ist wohl auch so, dass Solidarität nur aufgrund von Freiwilligkeit nicht funktioniert. Eine solche Solidarität bringt die Menschen, die Hilfe benötigen, in die Rolle von Bittstellern, was einerseits entwürdigend ist und andererseits sozialen Sprengstoff birgt. Nachweislich bestimmt den persönlichen Lebensweg gerade in Deutschland sehr stark, aus welchem Elternhaus man kommt. Und wir brauchen ja auch die Menschen, die uns die Hotelzimmer und anderes putzen, den Müll wegbringen, und all die Dinge machen, die lästig aber wichtig sind. Durch unsere Sparmentalität waren und sind wir leider immer noch nicht bereit, anständig für diese Tätigkeiten zu bezahlen. Wer ein Leben lang solche Arbeiten getan hat, soll im Alter eine anständige Rente beziehen, also eine, die mehr als Grundbedürfnisse zulässt. Dies trifft insbesondere auch für die Menschen in Ostdeutschland zu.
Eingeforderte Solidarität muss dann aber auch für alle gelten. In diesem Falle müssten alle in ein System einzahlen, dass die Grundrente finanziert. Alle meint aber auch die, die sich bisher aus der gesetzlichen Rente verabschiedet haben, also auch Ärzte, Architekten und auch Bundestagsabgeordnete. Von einem Bundestagsabgeordneten möchte ich mir fehlende Solidarität nicht vorwerfen lassen. Immerhin profitieren ja gerade Abgeordnete im erheblichen Maße im Alter von der Gesellschaft. In dem Moment, wenn diese auch bereit sind, zu gleichen Konditionen einzuzahlen, kann ich den Ruf zur Solidarität an uns Freelancer ernst nehmen.
7.) Wer als IT Freelancer bisher auf Immobilien als Altersvorsorge gesetzt hat, wird mit dem geplanten Altersvorsorgezwang des Bundesarbeitsministers evtl. in eine existenzielle Bedrohung geraten. Möglicherweise reichen nämlich seine Einnahmen nicht, um einerseits den Schuldendienst für die Immobilien und den dann erzwungenen Rentenbeitrag aufzubringen. Wie haben sie für Ihr Alter vorgesorgt?
Auch bei mir bildet die Immobilie einen Teil der Absicherung. Weiterhin habe ich aus meiner bisherigen Tätigkeit Rentenansprüche erworben und besitze Sparbriefe. Beim Thema Altersvorsorge rate ich der SPD dringend, Immobilien in den Katalog der Absicherungen aufzunehmen. Dies wirkt sich nämlich sehr positiv auf ein Herzensthema der SPD aus: Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Laut vielen Studien sind gerade die kleinen Immobilienbesitzer sehr angenehme Vermieter, die sich gut um ihre Mieter kümmern und keine unangemessenen Mietsteigerungen verlangen. Sie haben keine Investoren im Rücken, die einen Gewinn von regelmäßig 10 % aus ihrem Portfolio erwarten. Auch wäre es aus gesellschaftspolitischen Gründen sinnvoll, wenn der Immobilienbesitz in Deutschland möglichst breit gestreut bliebe. Denkt man die verschiedenen Themenfelder zusammen, kommt man doch oft zu überraschenden Erkenntnissen.
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