Freelancer müssen präsentieren können
 
Als Freiberufler sind Sie als Experte für eines oder mehrere Themen gesetzt. Dafür werden Sie beauftragt und bezahlt. Wenn Sie viel Glück haben, dann können Sie sich voll und ganz auf Ihre Themen konzentrieren und arbeiten in einer Umgebung, einem Team, einem Projekt, in dem Sie Ihrem Wissen gemäß eingesetzt werden.
Mit Expertise kommt jedoch auch Verantwortung und daraus resultiert die Notwendigkeit, wichtige Erkenntnisse mit anderen zu teilen und Entscheidungen herbeizuführen.
Ob es um die Vorstellung einer neuen Vorgehensweise, einer technischen Lösung, eines Prozesses oder bestehender Risiken und Probleme geht – der Freiberufler, der solche Chancen nutzt und weiß, wie er Inhalte und sich selbst professionell und souverän präsentiert, multipliziert seine Chancen, bei der nächsten Ausschreibung weiter berücksichtigt zu werden und verantwortungsvollere Aufgaben zugeteilt zu bekommen.
Als ich selbst vor über einem Jahrzehnt Freiberufler vermittelte, stellte ich immer wieder ähnliche Schwächen bei den Kolleginnen und Kollegen fest. Meine Erfahrung mit IT-Entwicklern und IT-Beratern, die ich während des letzten Jahrzehnts als Trainer und Coach begleite, bestätigen die früheren Erlebnisse, wenn es um das Thema Präsentieren geht:

  1. Man will mittels Inhalten und Fakten überzeugen, vernachlässigt dabei aber die emotionale Komponente von Entscheidungen.
  2. Man nutzt unzählige technische Argumente, geht immer weiter in Details und ergänzt diese um zusätzlichen Hintergrundinformationen im Glauben, dass das Gegenüber die eigenen Argumente in dem Moment verstehen wird, in dem er die Hintergründe begreift.
  3. Man setzt auf die Vor- und Nachteile, die nach eigener Ansicht am wichtigsten sind und die einen selbst überzeugen würden.

Doch dann kommt dieser Management-Berater im schicken Anzug um die Ecke, zieht seine 137 PowerPoint-Folien heraus, labert in epischer Breite über SWOT- und Gap-Analysen, Best Practices anderer Kunden und die beraterspezifische, patentierte 7-Stufen-Vorgehensmethode, die alle Probleme lösen wird. Sie sitzen kopfschüttelnd da und könnten jedes Argument in der Luft zerfetzen – doch der Berater bekommt die volle Unterstützung der Entscheider.
Sie ärgern sich, dass die Entscheider auf sowas reinfallen. Ihre eigene Präsentationsart wollen Sie nicht ändern, denn die marktschreierische aber erfolgreiche Vortragsweise lehnen Sie ab. „Irgendwann wird der Kunde schon merken, dass ich Recht gehabt habe.“, denken Sie. Mag sein. Leider sind Sie aber zu dem Zeitpunkt entweder nicht mehr bei dem Kunden oder niemand wird sich daran erinnern, dass Sie einen besseren Vorschlag hatten – weil ihn nämlich niemand verstanden hat.
Ich bin selbst Mathematiker (oder sagen wir besser, ich habe 10 Semester Mathematik studiert, bevor ich in den 90ern meine IT-Firma gründete) und glaube an die Überzeugungskraft von Argumenten und Logik. Doch ich habe lernen müssen, dass es nicht um unsere Logik und die für uns wichtigen Argumente geht, wenn wir jemanden überzeugen wollen. Wir müssen die Logik des Gegenübers verstehen und wissen, welche Argumente für ihn relevant sind. Und dann müssen wir unsere Inhalte mit den Worten kommunizieren, die für denjenigen verständlich sind. Nur dann können wir überzeugen.
In der Mathematik habe ich gelernt, dass der entscheidende Punkt auf dem Weg zur Lösung die Wahl der richtigen Methode ist. Und so verhält es sich auch, wenn man Menschen überzeugen will.

  1. Die für uns überzeugendsten (technischen) Argumente sind vollkommen wertlos, wenn diese von unserem Gegenüber nicht verstanden werden können und nicht dessen Prioritäten entsprechen. Wenn Sie einen Finanzvorstand damit überzeugen wollen, dass ein neues System die Performance verdoppelt, er selbst aber nur die Kosten der nächsten 12 (oder gar nur 3) Monate vor Augen hat, haben Sie keine Chancen. Selbst wenn eine Kostensenkung die logische Konsequenz wäre – Sie müssen es explizit rüberbringen. In dessen Worten.
  2. Von Ausnahmen abgesehen interessiert sich heute kaum noch jemand für alle Zusammenhänge. Man möchte schnell verstehen wo eine Herausforderung liegt und will sofort einen Lösungsweg aufgezeigt bekommen, der eine maximale Sicherheit bietet, diese Herausforderung gelöst zu bekommen. Wie genau dies funktioniert, das interessiert selten. Sparen Sie sich also die Darstellung aller Zusammenhänge für diejenigen, die danach fragen.
  3. Es gibt einen weiterverbreiteten Irrglauben gerade unter IT-Experten, dass wir unserem Gegenüber viele technische Details erzählen müssen, weil dieser nur dann eine fundierte Entscheidung treffen kann. Man glaubt, dass der Entscheider ganz genau verstehen muss, wie alles funktioniert. Wenn dem so wäre, dann sind Sie bestimmt in der Lage mir ganz genau zu erklären, welche Funktion Ihre Nieren und Nebennieren innehaben und wie diese agieren, wenn sie den Alkohol Ihres Feierabendbiers verarbeiten müssen. Können Sie nicht? Na aber Sie nutzen Ihre Organe doch täglich…
  4. Entscheidungen basieren nicht nur auf Argumenten: Haben Sie schon einmal etwas gekauft, was Sie eigentlich nicht brauchen? Und wenn Sie Ihrer Frau, Ihrem Mann, Ihren Kindern, Kollegen oder wer auch immer das Ding zu sehen bekam dann erklärt haben, warum Sie es erworben haben, kamen Sie mit fadenscheinigen rationalen Argumenten an? Während Sie in Wirklichkeit aus emotionalen Gründen zugegriffen haben? So ähnlich ist es bei allen Entscheidungen. Ja, es gibt viele Entscheidungen, die rationale Argumente als Grundlage haben. Doch in der heutigen Welt ist nicht mehr jederzeit klar, welches der richtige Weg ist. Es gibt oft ein Abwägen zwischen den Optionen gut, auch gut, etwas weniger gut, vielleicht gut, u.s.w. Und genau dann kommen unsere Emotionen, unsere Intuition ins Spiel. Wenn Sie es schaffen, Ihr Gegenüber bei der schwierigen Abwägung zu helfen, indem Sie ihm Argumente liefern, die derjenige versteht und die für denjenigen relevant sind, dann können Sie die Entscheidungen auch in eine Richtung bewegen, die Ihrer Ansicht nach die Richtige ist. Sobald Sie verstehen, was Ihr Gegenüber bewegt – z.B. die Angst, einen Fehler zu machen oder der Drang, vor anderen immer als Macher dazustehen – können Sie dies nutzen.

Bevor Sie also in die nächste Entscheidungsrunde gehen und etwas präsentieren, fragen Sie sich Folgendes:

  1. Was ist für mein Gegenüber wichtig? Welche Argumente zählen für denjenigen?
  2. Welche Informationen würde ich gerne vermitteln, weil ich sie als wichtig ansehe? Welche davon wird mein Gegenüber sofort verstehen und in seiner Entscheidung berücksichtigen? Streichen Sie dann alle, die er nicht verstehen und nutzen wird.
  3. Liefern Sie zwei bis drei Alternativen, auch wenn es Ihrer Ansicht nach nur eine einzige Lösung gibt. Die Alternativen können Sie auch nur ganz kurz anreißen, bevor Sie am Ende eine klare Empfehlung für Ihren Favoriten abgeben. Psychologisch hilft diese Vorgehensweise, denn der Entscheider fühlt sich dann nicht gezwungen, Ihren einzigen Vorschlag anzunehmen, sondern hat das Gefühl, wirklich entscheiden zu können. Und wenn wir ehrlich sind, gibt es immer mindestens eine weitere Option: Überhaupt nichts zu tun.
  4. Machen Sie Ihre Präsentation so kurz wie möglich. „Tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör bald auf“ ist ein Ratschlag von Martin Luther, den wir uns zu Herzen nehmen sollten.

Als Freiberufler sind Sie permanent in einer Akquisitions-Situation. Je besser Sie mit allen Ebenen auf Kundenseite umgehen können und je besser Sie darin sind, auch fachfremden Entscheidern dabei zu helfen, die besten Entscheidungen zu treffen, desto wichtiger werden Sie – und erhöhen die Chancen, wieder beauftragt zu werden.
Bewahren Sie die vielen technischen Details für Ihren IT-Stammtisch oder eine Fachkonferenz auf, aber verschonen Sie insbesondere die Entscheider in Fachbereichen damit.

Share.

Ein Kommentar

Leave A Reply

IT Freelancer Magazin Newsletter

Verpasse keine IT Freelancer News mehr! Jetzt zum Newsletter anmelden.

IT Freelancer Magazin F-Icon