Nach den Bundestagswahlen werden in den kommenden Tagen bis zum 10. November konkrete Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP geführt. Welche Veränderungen sind für Freelancer aus den Ergebnissen Bundestagswahl zu erwarten und wie beeinflussen diese den Projektalltag?

Die wichtigsten Themen für MINT-Freelancer besprechen Luuk Houtepen (SThree GmbH), Björn Sacknieß (Bundesverband für selbständige Wissensarbeit e.V.), Rechtsanwalt Dr. Sebastian Buder (TaylorWessing) und ehemaliger MINT Selbständiger Rüdiger Heger (ESS Engineering, Services & Solutions GmbH) beim SThree MINT-Freelancer Round Table.

Zu Beginn des Round Tables werden die Standpunkte der einzelnen Parteien zum Thema New Work vorgestellt:

Standpunkte der einzelnen Parteien zum Thema New Work 

Die SPD steht für einen Anspruch auf Mobile Office und möchte die tägliche Arbeitszeit nicht erhöhen, um Mitarbeiter weiterhin zu schützen. Sowohl Grüne, als auch SPD setzen sich für das Recht auf mobiles Arbeiten bzw. Mobile Office ein.
Die FDP setzt bei diesem Punkt auf ein etwas flexibleres Modell: Es soll die Möglichkeit der Umstellung von einer täglichen, zu einer wöchentlichen Arbeitszeit geben. Dies würde bspw. Mitarbeitern zuvorkommen, welche 4 x 10 Stunden arbeiten möchten, um den Freitag frei zunehmen.
Außerdem werden die Positionen der Parteien zum Thema Selbständigkeit vorgestellt:
Die SPD möchte für Solo-Selbständige eine ähnliche Absicherung wie bei Arbeitnehmern schaffen. Dies soll durch die Integration in die gesetzliche Rentenversicherung, einkommensabhängige Beiträge zur Krankenversicherung und ein Sicherungsgeld für Selbständige (wie Leistungen der Arbeitslosenversicherung) erfolgen.
Die FDP ist der Meinung, die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sollten sich an den tatsächlichen Einnahmen orientieren. Außerdem sollen Selbständigen bei der Altersvorsorgepflicht die Wahl der Form zugestanden werden. Im Punkto Statusfeststellungsverfahren fordert die Partei eine Reform mit gesetzlichen Positivkriterien und eine Prüfung durch eine unabhängige Stelle.
Die CDU möchte Steuerreduzierungen für Unternehmer und Selbständige, sowie eine Altersvorsorgepflicht durchsetzen. Gleichzeitig sollen aber Weiterbildungschancen für Selbständige verbessert werden.[/vc_column_text][vc_column_text]

New Work

Was wird sich in Deutschland durch die Ampel Koalition im Punkto New Work verändern?

Björn Sacknieß (Bundesverband für selbständige Wissensarbeit): „Ganz am Anfang des Sondierungspapiers steht, dass der Staat moderner werden und mehr Fokus auf das Thema Digitalisierung legen soll. Zusammen mit dem Vorsatz einer besseren Gründungsförderung, der Verbesserung der Absicherung für Solo-Selbständige und dem Abbau von bürokratischen Hürden ist dies positiv für die selbständigen Experten zu bewerten.
Das Thema Selbständigkeit ist anscheinend bei den Koalitionsverhandlungen auf dem Radar.
Im Bezug auf das Thema New Work, ist ein Fokus auf die Angestellten zu erkennen. Denn das was für die Arbeitnehmer nun langsam in Hinblick auf ortsunabhängige Arbeit normalisiert wird, ist für viele Freelancer bereits gang und gäbe.“

Dr. Sebastian Buder (TaylorWessing): „Das Thema New Work wird einen großen Raum einnehmen. Es scheint ja auch eine Schnittmenge zwischen Grünen und FDP zu geben. (…) Ich glaube das Thema mobile working und Homeoffice wird vor allem für Arbeitnehmer thematisiert werden.“

Rüdiger Heger (ESS Engineering, Services & Solutions GmbH): „Wir haben als Solo-Selbständige immer schon im Umgang mit unseren Auftraggebern darauf gedrängt, dass wir unseren Arbeitsplatz selbst wählen können. Von vielen Auftraggebern wurde dieses Anliegen jedoch ignoriert und man musste sich in die Betriebsform integrieren. Das ist natürlich eine Sache, die gefährlich werden könnte, wenn es um das Thema Scheinselbständigkeit geht.
Die Dokumentationspflicht, wie sie bspw. von den Grünen gefordert wird, wäre für uns Selbständige ein zusätzlicher Aufwand. Wir sind auch in der jetzigen Lage schon überschüttet von Dokumentation.“

Altersvorsorge

Luuk Houtepen (SThree GmbH): „Vergangene Studien haben gezeigt, dass gerade MINT- Selbständig im Punkt privater Altersvorsorge gut aufgestellt sind. Könnte die FDP auf die SPD in diesem Punkt einen Einfluss ausüben und diese überzeugen?

Björn Sacknieß (Bundesverband für selbständige Wissensarbeit):„Das wäre wünschenswert. Die Frage ist jedoch, wie sehr sich die FDP bei diesem Thema einsetzen wird. Das Wichtige sind die Aussagen aus unseren Studien, welche zeigen, dass die hochqualifizierten selbständigen Wissensarbeiter kein Teil des Problems Altersarmut sind. Allerdings haben viele Freelancer in Form von Aktien und Immobilien vorgesorgt haben, welche bisher noch nicht als pfändungssichere Altersvorsorge anerkannt werden. Eine Lösung, welche diesen Selbständigengruppe mehr Flexibilität in Hinblick auf eine Vorsorgepflicht gewährt, würde zwar Bürokratie erzeugen, jedoch die Freiheit der selbständigen Wissensarbeiter schützen.“

„Reförmchen“ zum Statusfeststellungsverfahren

Dr. Sebastian Buder (TaylorWessing): „Es gibt ein ´Reförmchen´ zum Statusfeststellungsverfahren, welches am 01. April 2022 in Kraft treten wird. Es soll möglich sein, über einen sog. Erwerbsstatus unabhängig von der Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu entscheiden. Im Detail bin ich da etwas kritisch. Am Ende des Tages ist es eine Verfahrenserleichterung, da hier und da Regelungen vereinfacht wurden. Beispielsweise die Möglichkeit, wer das Verfahren in Gang setzen kann. Nun kann auch der Endkunde das Verfahren einleiten, schon bevor der Freelancer tätig wird (Prognoseentscheidung). Das war bislang nicht möglich. Das Statusfeststellungsverfahren konnte bisher erst nach Aufnahme einer Tätigkeit durchgeführt werden.

Jedoch an die Frage wie schaut es eigentlich aus mit der Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung traut man sich nicht ran. Die Kriterien werden gar nicht geregelt, da bleibt alles beim Alten.“

Im Parteiprogramm der Grünen und der Linken wird eine Beweislast für den Arbeitnehmerstatus auf der Seite des Auftraggebers gefordert. Wie könnte sich dies auf den Arbeitsalltag der Freelancer auswirken?

Dr. Sebastian Buder (TaylorWessing): Wenn der Auftraggeber die Beweislast hat, um zu beweisen, ob ein Arbeitnehmerstatus vorliegt oder nicht, ist damit zu rechnen, dass dies in der Regel nicht gelingen wird. Mit der Folge, dass es eine deutliche Verschlechterung der jetzigen Situation wäre.“

Luuk Houtepen (SThree GmbH): Sollte es dazu kommen, dass die Beweislast für den Arbeitnehmerstatus auf der Seite des Auftraggebers liegt, könnte hier eine weitere Grauzone beim Auftraggeber entstehen. Die Auftraggeber versuchen in der Regel, solche Risiken zu minimieren. Dies könnte eine Hürde bei der Zusammenarbeit mit Freelancern bedeuten.“

Rüdiger Heger (ESS Engineering, Services & Solutions GmbH): „Wir haben uns als (Solo-)Selbständige bewusst dafür entschieden, selbständig zu sein. Wir Selbständigen wissen mittlerweile ganz genau, dass wir für das Alter vorsorgen müssen. Für jemanden, der sich bewusst für die Selbständigkeit entscheidet ist die Integration in die gesetzliche Rentenversicherung ein Schlag ins Genick.“

Der monatlich stattfindende SThree MINT-Freelancer Round Table stellt für alle selbständigen Wissensarbeiter Informationen über die bestehenden Regelungen für ihre tägliche Projektarbeit bereit und vermittelt das Wissen hierzu praxisnah.

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Björn ist Marketier aus Leidenschaft. In seiner Funktion als Redakteur verfolgt er das Ziel einen klaren Mehrwert für die IT-Freelancer-Community zu schaffen und diese in ihrem stressigen Alltag bestmöglich mit hilfreichen und interessanten Inhalten zu unterstützen. Als freiberuflicher Digital Marketing Consultant unterstützt er außerdem IT-Freelancer dabei, mit ihrer digitalen Präsenz passende Projektanfragen zu erhalten. Er ist zentraler Ansprechpartner beim IT-Freelancer Magazin. Kontaktmöglichkeiten finden Sie über LinkedIn oder per E-Mail: bjoern.brand@it-freelancer-magazin.de

Ein Kommentar

  1. Kai-U. Bräutigam on

    Leider nichts Neues. Hier werden nur Vermutungen geäußert und aufgezeigt, was die einzelnen Parteien realisieren wollen. Ein richtiges Ergbnis dieses „Round Table“ fehlt.

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