Dies ist die Fortsetzung des vor zwei Wochen erschienen Teil 1 von „Eine Zeitreise ins Jahr 1996 und zurück- 25 Jahre IT Freelancing Karriere“.

Einführung des Euro- Wandel im Elektronikmarkt

Ah, eines habe ich vergessen: Die Einführung des EURO zum 1.1.2002. Als die alte Deutsche Mark mit einem Umrechnungskurs von 1,95583 in einen EURO getauscht wurde. Der Kurs war offiziell, die Preise wurden der Einfachheit im Zahlenwert halbiert. Das beflügelte im Effekt die Kauflaune vieler, für die nominell der Anschaffungswert von Elektronikwaren gesunken war. Der Preiskampf und die Preisspirale nach unten für in den 1996er Jahren noch im Wert von tausenden DM gehandelten PCs auf wenige hundert EURO hatten Firmen wie ESCOM, VOBIS, aber SATURN mit seinem Slogan „Geiz ist geil“ endgültig ausgerufen. Computer wurden nun Massenware im Supermarkt, im Elektronikdiscounter und für mich als gerade über 10 Jahre alt gewordenem Unternehmen mit einer besonderen Nische stellte sich die Frage: Wachsen oder spezialisieren? Ich entschied mich für letzteres und sehe noch heute nach 25 Jahren darin den zukunftsweisenden Weg für ein Unternehmen, das nicht auf Masse und Umsätze, sondern auf Kundenbeziehung und eigene Expertise setzt. Das erste Jahrzehnt der 2000er Jahre sollte das bisher erfolgreichste in meiner Firmengeschichte werden. Es war eine Aufbruchszeit, trotz des Platzens der IT-Blase an den Börsen 2001 und damit verbunden einer gewissen Zurückhaltung gegenüber jedem Nerd, der als visionärer Freak um die Ecke kam.

Technischer Fortschritt verändert in der Folge das Produktangebot und damit das Konsumverhalten. HP hatte 2001 das erste „Ultrabook“ auf dem Markt, ohne dass es zu dieser Zeit bereits den Begriff „Ultrabook“ gab: den HP Sojourn. Ebenso auch einen mobilen schwarz-weiß Scanner betrieben mit zwei AA-Batterien, den HP Capshare, der sogar Flipcharts und Leinwände scannen und zu einem Bild zusammensetzen konnte. 2008 hatte HP den ersten Tablet PC mit dem tc1000 bzw. tc1000 laufend unter Windows XP im Markt. So hatten sie eine Zukunft vorgezeichnet, die ihren Hype erst fünf bis sechs Jahre später erleben sollte. So war es auch 2010 mit dem HP iPAQ 214, dem HP hätte nur eine Handy-Funktionalität noch verpassen müssen, um das erste 5“ Smartphone weit vor Apple oder Samsung am Start zu haben. Aber auch 15 Jahre im Markt und Job haben mich gelehrt, dass viele gute Produkte kamen und gingen, ohne wirklich den Markt und die Masse zu erreichen. Stattdessen schafften es durch geschicktes und aggressives Marketing im rechten Moment und nach Seelenlage der Kunden, Produkte als Trendsetter in den Markt, die weder einem neuen Genius oder einer besonderen Funktionalität ihren Erfolg zu verdanken hätten.

Das zweite Jahrzehnt des Millenniums

Das zweite jetzt gerade beendete Jahrzehnt des Milleniums war geprägt vom Finanzcrash 2008/2009, dem Schock mit Fukushima 2011 und in der Folge einer sich ändernden Mentalität in Bezug auf Energieverbrauch, Nutzung der Atomkraft, Verfügbarkeit von Geld an den Märkten für Start-Ups, Konzentrationsprozessen im Online-Handel, Änderungen in der Arbeitswelt, dem Aufholen Chinas von der Werkbank der westlichen Nationen, zum zweitgrößten Marktteilnehmer weltweit und Lieferanten insbesondere für Elektronik-Produkte. Selten finden Sie heute noch Produkte im IT-Sektor für Konsumenten und Business Massenware, auf denen nicht „Made in China“ steht. Wir alle haben erlebt und erleben diesen Wandel hin zu immer größer werdenden Einheiten von Konzernen, Investoren und Fusionen. Schaue ich als Reseller, als Händler, als Systemhaus Dienstleister zurück und lasse all die Namen der Distributoren und Zwischengroßhändler Revue passieren, die es heute nicht mehr gibt, erschrecke ich ein wenig. Es gibt immer noch die großen Player, die sich selbst diversifiziert haben und versuchen über den reinen Handel hinaus, als Dienstleister für Reseller aber auch direkt als Lieferanten für Mittelständler aufzutreten. Aber die Vielfalt ist weniger geworden. Ich denke an den Beginn meines Unternehmens, als Mitbewerber mit pfiffigen Ideen auf ihren Internetseiten mir manchmal schlaflose Nächte bereitet haben, in denen ich überlegte, wie ich die eigenen Seiten kreativer und für Kunden ansprechender gestalten könnte. Die meisten davon gibt es nicht mehr. Vor 25 Jahren war es wichtig, einen sauber gedruckten Briefbogen, seriöse Visitenkarten und eine eigene „Corporate Identity“ zu haben. Kunden waren bestimmten Marken treuer verbunden als anderen. So waren wir als Partner von HP, als so genannte „Blue HPler“ benannt, nach der Logo-Farbe blau zeitweise stolz länger bei HP als Partner dabei zu sein, als die neu mit der Fusion aus Compaq und HP in 2003 dazugekommen „Red Compaqler“. Kunden wollten „nur HP“, weil sie immer HP kauften und damit zufrieden waren. Ja, diese Kunden habe ich auch noch. Insbesondere diejenigen, die bei mir noch Reparaturaufträge für 40 Jahre alte HP Taschenrechner 41CV oder HP Rechner aufgeben, die noch zur Zeit der ersten Mondlandung verwendet wurden. Es gibt eine neue Vintage-Bewegung, die ich mit Freude wahrnehme, weil ich selbst eine Art Museum aus 30 Jahren EDV-Geschichte habe. Vielleicht werden sich bei mir noch andere Zeitgenossen einfinden, und wir gemeinsam den alten ATARI 1040ST reaktivieren oder uns über die HP iPAQs freuen.

Heutige Zeiten

Heute sitze ich an einem HP Sprout Pro G2 mit so genannter „immersive technology“, d.h. 24“ Touchscreen, i7 Prozessor, 1Terabyte NVMe SSD, 3D Scanner, Touchmat, Webcam und tippe immer noch, obwohl ich eigentlich hatte die ansonsten von mir auch gerne genutzte Spracherkennungssoftware Dragon Individual hätte nutzen können. Übrigens die Idee der Spracherkennungssoftware ist so alt wie mein Unternehmen, nur war sie damals schwerfälliger, weil die Hardwareleistung einfach fehlte. Heute funktioniert sie prima, wenn man sich das gewohnte Tippen mal ersparen will. Immer noch leben wir in einem Zeitalter, in dem die menschliche Kommunikation auf direktem Weg per Telefon oder selbst beantworteten Schreiben nicht durch KI abgelöst wird. Erst kürzlich hing ich 45 Minuten im Chat mit einem Microsoft-Techniker, aufgrund eines dicken Problems mit Microsoft Azure Information Protection für Office 365 und stellte im Verlauf des Chats mehr und mehr fest, dass der angeblich in Deutsch geführte Chat in Wahrheit per KI dem Chatmitarbeiter in schlechtes Englisch und aus seinen Antworten aufgrund falsch verstandener Fragen, in noch schlechterem Deutsch an mich zurückkamen. Dieses Beispiel nur zur modernen Welt der KI und der Gefahr in der modernen Arbeitswelt durch KI und Automaten ersetzt zu werden. 😊

Was ist meine Vision, meine persönliche für mich und mein Unternehmen? Dezentralisierung, Professionalisierung und Individualität, also genau das Gegenteil von Zentralisierung, Konzentrierung, Normierung und Wachstum. So sehe ich auch mein Engagement seit 20 Jahren als Freelancerin im Bereich Telearbeit, heute Home-Office, Remote Office, Work from Home oder dezentrales Arbeiten genannt. Der im Office eingesperrte Administrator 9-to-5 und in 24 Stunden Rufbereitschaft war einmal. Ja, 24 Stunden zuschaltbar und bei Hardwarefehlern auch einer physisch einsatzbereit werden mehr denn je gebraucht. Denn der Trend, den ich auch bei meinen Kunden erlebe, sich der Kosten und Eigenverantwortung für eine eigene EDV-Anlage nach dem Prinzip on-premise sich zu entledigen und alles in die Cloud per Vertrag und damit Verantwortungsverschiebung zu verlagern, wird umso mehr Datenschutz und fähige Administratoren brauchen.

Aber viele von uns Freelancers, Kreativen, Freidenkenden und auch kundenorientierten Servicedienstleistern, die bei jedem einzelnen Kunden nach der individuell passenden Lösung suchen und nicht nach dem Produkt, das ihm am besten anzudrehen wäre, wir werden noch flexibler aber auch unter dem Druck der Anpassungsfähigkeit unterwegs sein. An einem Ort daheim, im Produktbezug angesichts Corona-Lieferketten-Probleme wieder lokaler und regionaler, aber in der Ansprache an Kunden und die Welt im globalen Dorf beheimatet sein. Auf weitere motivierte und optimistische 25 Jahre, die nach Gestaltungsbereitschaft und einem frohen Pioniergeist rufen.

Ihre Susanne Möhring

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Susanne Möhring ist seit 25 Jahren selbständige IT-Kauffrau mit eigenem Unternehmen und beruflich, wie auch ehrenamtlich engagiert für Telearbeit, Home-Office und Remote Lösungen, sowohl in Beratung, als auch technische Umsetzung von Remote Arbeitsplätzen. Bewußtseinbildung für Nachhaltigkeit, „reparieren statt wegwerfen“ und Umweltbewußtsein ist mit der Mitgliedschaft im Klima- und Umweltpakt Bayern ausgezeichnet worden. Lösungen für das mobile Arbeiten in Hardware, Software und Installation, sowie Upgrades und Reparaturen zeichnen ihren Arbeitsalltag aus.

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