Anlässlich der jährlich erscheinenden Lünendonk-Marktsegmentliste „Führende Anbieter für Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung von IT-Freelancern in Deutschland“ fand am 14. Juli ein Presse-Roundtable statt. Hier standen Alexander Raschke (Etengo), Christian Steeg (Hays), sowie Frank Eckes (Allgeier Experts) für Fragen zu IT-Freelancer relevanten Themen bereit. Die Herren blickten zurück auf das letzte Geschäftsjahr während Corona und wagten einen Ausblick in die Zukunft:

Wie entwickelt sich der Markt gegenwärtig, was ist in den kommenden Monaten zu erwarten und welche Themen sind von Bedeutung?

Resümee nach Corona: Marktentwicklung

Alexander Raschke (Etengo): „Corona hat die Digitalisierung für jeden Einzelnen von uns erlebbar gemacht. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass wir uns inmitten einer digitalen Revolution aller Wirtschafts- und Unternehmensbereiche befinden. Seit Anfang des Jahres ist ein Knoten geplatzt: Der Investitions- und Projektstau ist aufgegangen und wir erleben eine extrem hohe Nachfrage nach freiberuflichen IT-Spezialisten.“

Christian Steeg (Hays): „Corona hat die Vorteile unseres Geschäftsmodells noch offensichtlicher gemacht. Die bei Freiberuflern immanente Bereitschaft zur schnellen Anpassung an neue Gegebenheiten hat sicher dazu beigetragen, dass wir ein relativ stabiles Niveau halten konnten und dass sehr viele unserer Kunden letzten Endes gut durch die Lock Downs gekommen sind. Seit Ende 2020 erleben wir jetzt eine sprunghaft ansteigende Nachfrage, die sich immer noch fortsetzt. Hier überlagern sich zwei Effekte – der kurzfristige Rebound nach Corona und der permanente Fachkräftemangel in Deutschland. Der Trend ist jetzt auch in den Branchen Automotive & Maschinenbau angekommen.“

Frank Eckes (Allgeier Experts): „Nach dem ersten Schock entwickelte sich schon im Sommer alles wieder besser. Wir sehen eher ein Problem auf der Beschaffungsseite. Wir haben auf der Bewerber- / Kandidaten- / Beraterseite eher die Anforderung, die vielen Anfragen entsprechend zu besetzen. Ich sehe in allen Geschäftsbereichen & Branchen, dass die Digitalisierung immer weitergetrieben wird: Bspw. die Automobilbranche kommt jetzt mit Themen, wie E-Mobilität, Vernetzung und Autonomen Fahren. Das sind alles IT-Felder, die durch die Unterstützung mit IT-Freelancern umgesetzt werden können. Deshalb bin ich für die Zukunft positiv gestimmt.“

Remote Work- Einfluss auf die Tagessätze der IT-Selbständigen

86% der befragten Personalvermittler ziehen bei Remote Work eine andere Tages-/Stundensatz-Kalkulation heran (im Durchschnitt sind diese 10% geringer) und 85% haben dies auch schon vor Corona getan (vgl. Lünendonk-Marktsegmentliste 2021).
Wie ist nach Corona der Einfluss von Remote Work auf das Honorar der IT-Selbständigen?

Alexander Raschke (Etengo): „Langfristig ist nicht die Frage nach Remote oder Nicht Remote entscheidend für die Tagessätze, sondern ob die kurzfristige Verfügbarkeit eines Skills gegeben ist, oder nicht. Daher gehe ich davon aus, dass sich die Tagessätze der IT-Freiberufler wieder auf hohem Niveau, wie vor Corona, stabilisieren und ggf. auch weiter steigen werden. Jede Minute, die ein Experte ein Projekt nicht unterstützen kann, kostet ein Unternehmen deutlich mehr Geld, als ein ggf. reduzierter Remote-Satz an möglichen Einsparungen bietet.“

Christian Steeg (Hays): „Als Dienstleister beobachten wir aktuell steigende Verrechnungssätze der Spezialisten. Wir richten uns nach den Wünschen unserer Kunden und unserer Spezialisten. Wenn überwiegend oder ausschließlich Remote geleistet wird und der Wunsch auf beiden Seiten besteht Präsenz-Zeiten anders einzupreisen, dann kommen wir diesem Wunsch selbstverständlich nach.“

Einsatz internationaler IT-Freelancer im deutschen Markt (z.B. aus Osteuropa)

Frank Eckes (Allgeier Experts): „Bei vielen Kundenansprechpartnern ist es noch relativ schwierig, Projekte mit ausländischen Freelancern zu besetzen, da bei den meisten Auftraggebern (gerade in der Industrie) die Amtssprache deutsch ist. Wenn diese Hürde kleiner wird, dann gäbe es hier Potenzial. Dies sehe ich aber aktuell noch nicht.“

Alexander Raschke (Etengo): „Da die Nachfrage nach IT-Spezialisten hoch ist und deren Verfügbarkeit immer mehr zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor für Unternehmen wird, gilt es für uns einerseits den optimalen Zugang zu diesen Experten zu haben, zu pflegen und auszubauen und andererseits auch darum weitere IT-Spezialistinnen und -Spezialisten für den deutschen Markt zu gewinnen. Ersteres tun wir, indem wir beispielsweise durch unseren Bereich Partner Services enge und vertrauensvolle Beziehungen zu Freelancern aufbauen. Im Kontext Erweiterung ist neben der Förderung nationaler (Ausbildungs-)Initiativen für MINT-Talente natürlich grundsätzlich auch (Ost-)Europa ein attraktiver Markt. Die Erschließung dieses Marktes erfordert allerdings einen ganzheitlichen Ansatz. Momentan fokussieren wir uns auf den deutschen Markt.“

Christian Steeg (Hays): „Wir betreuen ein sehr breites Kundenportfolio und können das daher differenziert betrachten. Während zahlreiche unserer Kunden bereits seit vielen Jahren auf Englisch als Projektsprache setzen und daher gerne auch internationale Spezialisten einsetzen, können oder wollen das andere Unternehmen nicht. Wir richten uns bei der Besetzung von Projekten und Positionen nach den jeweiligen individuellen Anforderungen.“

Deutsche IT-Freelancer Remote Work vom Ausland

10% der Freelancer suchen nach Schätzung der führenden Personaldienstleister aufgrund der neuen Gesetzeslage nun Projekte im Ausland (vgl. Lünendonk-Marktsegmentliste 2021).

Alexander Raschke (Etengo): „In unserem Beraterportfolio ist beim Thema Remote Work im Ausland ein wachsender Trend zu erkennen, allerdings weniger aus Compliance- als vielmehr aus Flexibilitätsgründen. Dabei entsteht in der Projektorganisation – durch die Involvierung von unterschiedlichen nationalen Rechtslagen – bei Themen wie bspw. (Umsatz)Steuer, DSGVO, Bescheinigungswesen eine erhöhte Komplexität, die wir für unser Freiberufler allerdings sehr gerne managen.“

Frank Eckes (Allgeier Experts): „Bei uns tritt dieses Thema nicht regelmäßig auf, jedoch ist es aus Compliance Perspektive komplex. Wenn die Möglichkeit besteht, einen Berater für das Projekt zu besetzen, welcher bereit ist, aus Deutschland heraus zu arbeiten, wird dieser in der Regel präferiert.“

Christian Steeg (Hays): „Ich sehe hier keinen klaren Trend, der sich ins Ausland verlagert. Die damit verbundene Komplexität insbesondere in Bezug auf steuerliche Themen würde Freiberufler/Berater ggf. auch vor größere Herausforderung stellen. Es ist aber die Aufgabe des Freiberuflers/Beraters selbst die individuelle Situation gut zu prüfen und die erforderliche Compliance umzusetzen.“

Arbeitnehmerüberlassung: Wer geht in die ANÜ und was sind die Gründe?

Frank Eckes (Allgeier Experts): „Ich glaube, man kann dieses Thema ein Stück weit Skill- bzw. Preisbasiert betrachten. Wir sehen in den Bereichen wie den Support oder in Rechenzentren, dass es hier eher die Tendenz gibt, in eine Arbeitnehmerüberlassung zu gehen. Je spezialisierter und höherpreisiger der Skill wird, umso schwieriger ist eine ANÜ, und zwar auf beiden Seiten. Die Kalkulationsgrundlage ist für uns (Personalvermittler) auch eine andere, wenn wir den Kandidaten als Freelancer in ein Projekt schicken, als wenn wir ihn in Form der ANÜ in ein Projekt vermitteln. Es wird dann teurer für die Auftraggeber und der Freelancer muss Abstriche bzgl. seines Gehalts machen.“

Christian Steeg (Hays): „Es kann im Einzelfall individuelle Gründe (persönliche oder ggf. kaufmännische) für einen Freelancer/Berater geben, in eine Anstellung zu wechseln. Das muss allerdings jeder Freelancer/Berater selbst für sich gut prüfen, abwägen und dann auch mit einem langfristig unterlegten Plan entscheiden. Allgemein können wir aber sagen, dass es aktuell in den von uns erbrachten Skills im Dienstvertrag, insbesondere in der Softwareentwicklung, Strategieberatung, im Architekturumfeld oder in den „New Skills“ (Cloud, Cyber Security etc.) keine Impulse aus dem Markt gibt, die für einen Wechsel zur Arbeitnehmerüberlassung sprechen. Zudem gibt es sicherlich auch „Compliance-Grenzen“, die sich ein Dienstleister auferlegt und auch umsetzt. Wir haben da sehr klare Vorstellungen, die wir auch umsetzen. Wir haben z.B. eine eigene Beratungseinheit gegründet und den Namen dieser (Compliant Sourcing®) als Marke eintragen lassen. Ebenfalls trennen wir sehr strikt die unterschiedlichen Vertragsarten (Dienstvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung). Neben vielen weiteren Prozessen und Maßnahmen sehen wir zum Beispiel eine gewisse Höhe des Stundensatzes als Indiz dafür, dass der Freelancer/Berater auch in der Lage ist, sein unternehmerisches Risiko selbst tragen zu können und es auch dadurch eine gewisse Abgrenzung zur Arbeitnehmerüberlassung gibt.“

Alexander Raschke (Etengo): „Etengo bietet aktuell keine Arbeitnehmerüberlassung an. Wir beobachten auch bei den Freelancern keine wachsende Tendenz in diese Richtung. Dennoch spielt die Höhe der Stundensätze auch für Etengo eine wichtige Rolle: sie ist ein Indikator für erforderliches Expertenwissen bzw. benötigte Skills und somit dafür, ob die Aufgaben im Contracting abgebildet werden können. Die Freelancer, mit denen wir zusammenarbeiten, haben entsprechende Stundensatzforderungen. Zudem lehnen wir Projekte unterhalb einer bestimmten Stundensatzgrenze ab. Darüber hinaus ist beim Schritt in die Arbeitnehmerüberlassung grundsätzlich noch ein weiteres Thema interessant: der mögliche spätere Weg zurück in die Freiberuflichkeit. Denn dieser Weg kann von Behörden und Ämtern erschwert werden, was wohl auch viele Freiberufler vor dem Schritt in die ANÜ zögern lässt.“

Individualsoftware Entwicklung- Hat der Bedarf zugenommen?

Christian Steeg (Hays): „Das liegt in der Natur der Sache. Wenn Wertschöpfungsketten end-to-end digitalisiert werden, dann entsteht auch ein erhöhter Bedarf an individuellen Lösungen. Da müssen Schnittstellen gebaut werden und sicher auch die eine oder andere proprietäre Lösung geschaffen werden. (…) Sicher spannend wird es nochmal mit SAP S/4 Hana. Hier erwarten wir eine sehr große Nachfrage auf Kundenseite.“

Freelancer Produktivität & Mehrarbeit durch Corona- Werden die IT-Freelancer Urlaub nehmen?

Christian Steeg (Hays): „Wir haben in Summe festgestellt, dass wir alle mehr gearbeitet haben. Vor allem im Bereich ANÜ, aber auch im Bereich Freelancing war hier ein klarer Aufwärtstrend zu erkennen. (…)“

Alexander Raschke (Etengo): „Auch für Etengo beobachte ich eine niedrige Projekt-Auslaufquote. Die Erstbeauftragungszyklen werden zwar tendenziell kürzer, gleichzeitig wird die Gesamtprojektdauer aber länger. Auch sehe ich in meinen monatlichen Reportings: Die Freelancer-Produktivität bleibt hoch. U.a. aufgrund weiterhin hoher Reisebeschränkungen sowie erhöhter Flexibilität durch Home-Office und Remote Work.“

Frank Eckes (Allgeier Experts): „Wir haben im Moment die Situation, dass die IT-Experten viel zu Hause oder remote arbeiten. Dieser Punkt hat hinsichtlich des Bedarfs nach Urlaub schon einen Effekt. Die Möglichkeiten, Urlaub zu machen und auf Reise zu gehen, sind nach wie vor beschränkt. Je nachdem, wie sich alles weiterentwickelt, werden die IT-Freelancer auch wieder Urlaub nehmen. Momentan sagen sich die IT-Freelancer wahrscheinlich: ‚Ich kann sowieso nicht in den Urlaub fahren, dann arbeite ich lieber weiter, ziehe meine Projekte durch und verdiene Geld.‘“

Erwartungen für die Bundestagswahl

Christian Steeg (Hays): „Wir brauchen in der Politik ein ganz klares Statement zum Freelancertum mit Positivkriterien. Und wir brauchen einen breiten Konsens, dass es die freien, flexiblen Wissensarbeiter sein werden, die in den nächsten Jahren unseren Wirtschaftsstandort sichern werden.“

Alexander Raschke (Etengo): „Wir haben vor einigen Wochen im Rahmen unseres Engagements im Bundesverband für Selbständige Wissensarbeit e.V. eine Protestnote zur jüngsten Reform des Statusfeststellungsverfahrens mitgetragen. Diese Reform ist unseres Erachtens nach halbherzig und führt nicht zu den erforderlichen Leitplanken bei der Beauftragung von Freelancern. Deswegen darf das Thema in der nächsten Legislaturperiode nicht aus den Augen verloren werden. Die Bedeutung des Freelancertums und der selbständigen Wissensarbeit ist zu wichtig – für unsere Kunden, die Freelancer und den Wirtschaftsstandort Deutschland, der größten Volkswirtschaft Europas.“

]Christian Steeg (Hays): „Wir haben uns sehr intensiv damit beschäftigt, wie die Arbeitswelten und die Arbeitsmärkte in den nächsten Jahren aussehen werden. Dazu haben wir eine Arbeitsgruppe aus Zukunftsforschern, Branchenspezialisten und Digitalisierungsexperten gebildet.
In Summe werden die Arbeitsmärkte immer flexibler, der Trend geht dahin, in unterschiedlichen Beschäftigungsformen zu arbeiten. Menschen wollen mehr Dynamik in den Aufgaben und mehr Flexibilität in der Gestaltung ihres Arbeitslebens haben. Hier spricht vieles für Freelancertum. Ich hoffe, dass die zukünftige Bundesregierung diese Punkte aufnimmt und eine zeitgemäße Politik im Sinne der Bürger und Unternehmen umsetzen wird.“

Flexibilisierung in den Organisationsstrukturen der Auftraggeber- Flexible Workforce

Welchen Impact haben die Freiberufler auf die Organisationsstrukturen der Auftraggeber- Stichwort „flexible workforce“?

Frank Eckes (Allgeier Experts): „Das ist ein allgemeiner Trend, der sowohl für interne Angestellte als auch für Freiberufler gilt. Das Thema Remote Work wurde sicherlich durch Corona beschleunigt. Ein fortschrittliches Unternehmen muss heutzutage flexible Arbeitsmöglichkeiten anbieten, da es dadurch die besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat. (…) Ich glaube nicht, dass die Freelancer die Treiber dieser Bewegung sind, sondern der Markt insgesamt, von welchem die Freelancer aber ein Teil sind.“

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Björn ist Marketier aus Leidenschaft. In seiner Funktion als Redakteur verfolgt er das Ziel einen klaren Mehrwert für die IT-Freelancer-Community zu schaffen und diese in ihrem stressigen Alltag bestmöglich mit hilfreichen und interessanten Inhalten zu unterstützen. Als freiberuflicher Digital Marketing Consultant unterstützt er außerdem IT-Freelancer dabei, mit ihrer digitalen Präsenz passende Projektanfragen zu erhalten. Er ist zentraler Ansprechpartner beim IT-Freelancer Magazin. Kontaktmöglichkeiten finden Sie über LinkedIn oder per E-Mail: bjoern.brand@it-freelancer-magazin.de

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