Durch die Corona- Krise rückte das Thema der Globalisierung dieses Jahr noch einmal stärker in den Fokus. Auch, wenn im Zuge des derzeitigen „lockdown light“ in Deutschland vielleicht der Gedanke ans Ausland nicht der erste ist: Die internationale Vernetzung der Wirtschaft und der Arbeitswelt ermöglicht auch Chancen für IT Selbstständige im Ausland Fuß zu fassen. Auch in Frankreich und in Spanien herrscht Bedarf für kompetente IT Freiberufler.
Herr Vincent HuguetCEO und Mitgründer der Freelancer Plattform Malt gibt einen Marktüberblick zu den IT Freelancer Märkten Deutschland, Frankreich und Spanien und wagt einen Blick in die Zukunft: Was stellt die sog. „New Work Order“ dar? Wie verändert diese die Art, wie wir arbeiten?

Gravierende Unterschiede in den Märkten

IT Freelancer Magazin: Da Sie mit MALT ja in den drei verschiedenen Ländern Spanien, Deutschland und Frankreich aktiv sind: Was sind die gravierenden Unterschiede in den Märkten?
Vincent Huguet: Deutschland ist im internationalen Vergleich ein recht reifer Markt. Die Freelancer sind hier im Schnitt älter, mit mehr Berufserfahrung. In Frankreich hatten wir in den letzten 5 Jahren einen gigantischen Zuwachs an Freelancern, in Deutschland dagegen sehen wir zwar kein riesiges Wachstum, dafür aber einen seit Jahren konstant großen Markt von mehr als 1,3 Mio. Selbstständigen im akademischen / digitalen Bereich. Während es in Spanien noch eine größere Akzeptanz für das Thema Freiberuflichkeit und Expertise von Freiberuflern braucht, erkennen viele Unternehmen in Deutschland und Frankreich den Wert von Freelancern für ihr Unternehmen.

Akzeptanz der Unternehmen für den Einsatz von IT Selbstständigen

IT Freelancer Magazin: Wie erleben Sie die Akzeptanz für IT Selbstständige seitens der Unternehmen in den Ländern?
Vincent Huguet: Der Bedarf an IT-Freiberuflern ist besonders in Deutschland und Frankreich hoch, u.a. weil hier schon seit Jahren ein Fachkräftemangel herrscht. Hochqualifizierte Freiberufler im IT-Bereich können in der Freiberuflichkeit mehr verdienen, als in der Festanstellung und lassen sich daher oft gar nicht anstellen. Für Unternehmen sind IT-Freiberufler eine Möglichkeit, um auf wichtige Tech-Expertise zuzugreifen, die es auf dem Arbeitsmarkt gar nicht ausreichend gibt. Der Bedarf ist also durchaus vorhanden.
Ein Problem, dass wir in Deutschland wie auch in Frankreich aber seit längerem sehen, ist die rechtliche Unsicherheit rund um Selbstständigkeit. Das Thema Scheinselbstständigkeit macht besonders in Deutschland viele Unternehmen bei der Zusammenarbeit mit IT-Selbstständigen zögerlich. Wenn man bedenkt, dass Freiberufler oft die einzige Möglichkeit für Unternehmen sind, um kritische Expertise zu rekrutieren, ist es absolut notwendig, dass sich Unternehmen mit dem Thema so gut wie möglich auseinandersetzen und Freiberufler in ihrer Compliance-Strategie berücksichtigen. Bei Malt arbeiten wir hier mit der renommierten Wirtschaftskanzlei Noerr zusammen, um Unternehmen bei dem Thema beratend zur Seite zu stehen.
In Spanien hingegen muss der Wert von Freelancing und besonders Freelancern als hochqualifizierte Experten erst noch anerkannt werden. Hier sehen wir in Deutschland und Frankreich zumindest bei den Unternehmen schon eine hohe Akzeptanz, was sich auch in den Tagessätzen der Freelancer niederschlägt. IT- Freiberufler verdienen in Deutschland zum Teil zwei bis dreimal soviel, wie Ihre Kollegen in Frankreich und Spanien. Besonders in Spanien liegen die Tagessätze weit zurück.
In der gesellschaftspolitischen Diskussion beobachten wir aber in allen drei Ländern häufig eine wenig differenzierte Betrachtung von Selbstständigkeit. Digitale Freelancer, die als Entwickler, Designer oder Projektmanager arbeiten, werden zu häufig im gleichen Atemzug mit Begriffen wie Gig-Economy oder Plattform-Ökonomie verwendet. Das passt nicht zu der Ausbildung, Erfahrung und Bezahlung dieser Arbeitsmarktgruppe. Wir sprechen deshalb bei digitalen Freelancern nicht von Gig Economy, sondern von der Talent Economy.

Deutschland als Malt- Fokusmarkt

IT Freelancer Magazin: Malt hat sich dazu entschieden, zukünftig den deutschen IT Freelancer Markt als seinen Fokusmarkt anzusehen. Was waren hier die wichtigsten Aspekte für diese Entscheidung?
Vincent Huguet: Die Entscheidung für den deutschen Markt war naheliegend. Zum einen ist Deutschland ein riesiger Markt, zum anderen gibt es große Ähnlichkeiten zum französischen Markt, gerade was die rechtlichen Rahmenbedingungen angeht. In Frankreich konnten wir mit unserem direkten, produkt-fokussierten Ansatz bereits zum Marktführer aufsteigen, obwohl auch hier der Markt stark von traditionellen Personalvermittlungsagenturen und IT-Beratungsunternehmen dominiert war. In Deutschland sehen wir das gleiche Potenzial. Durch die starke wirtschaftliche Verbundenheit haben wir in Frankreich außerdem bereits viele Großkunden, die in beiden Märkten aktiv sind, sodass wir mit dem deutschen Markt auch unser Angebot an bestehende Kunden erweitern konnten.

Was ist die New Work Order?

IT Freelancer Magazin: Bei Malt greifen Sie das Thema „New Work Order“ auf. Was genau verstehen Sie darunter und welcher Aspekt wird Ihrer Meinung nach in der Zukunft eine entscheidende Rolle spielen?
Vincent Huguet: Mit dieser Idee möchten wir zum Ausdruck bringen, dass die Zukunft der Arbeit nun Realität ist. Durch Covid19 haben wir hier eine rasante Beschleunigung erlebt, die wichtige Änderungen angestoßen hat. Der Einsatz von neuen Technologien und Kollaborationstools spielt hier eine wichtige Rolle, Kernpunkt dieser neuen Realität ist vor allem ein Wertewandel.
Diese Werte drehen sich für uns um den Begriff “Choice” oder Selbstbestimmung. Die Menschen möchten mehr Entscheidungsfreiheit in ihrem Alltag. Von wo sie arbeiten, wie sie arbeiten und mit wem. Diese dafür nötige Vertrauenskultur auf Dauer anzunehmen und zu leben ist das wichtigste, was Unternehmen und Führungskräfte jetzt leisten müssen.
Freelancer haben diese Werte bereits vor der Krise vorgelebt und können in Unternehmen als Katalysatoren für diesen Wandel wirken. Neben ihren technischen Fähigkeiten ist es besonders die digitale Kultur der Freelancer, die Unternehmen jetzt brauchen. Freelancing spielt in der New Work Order also eine zentrale Rolle.

New Work Order in Deutschland, Frankreich und Spanien

IT Freelancer Magazin: Bei welchen Aspekten bzgl. der New Work Order haben Frankreich und Spanien gegenüber Deutschland die Nase vorn? Wo kann Deutschland punkten?
Vincent Huguet: In Frankreich, wo wir 2013 gestartet sind, war der Freelancer-Markt z.B. stark von großen IT-Beratungsunternehmen geprägt, die wiederum selbst Freelancer eingesetzt haben. Mittlerweile haben Unternehmen den Wert der direkten Zusammenarbeit mit den Freelancern erkannt und setzen sie ein, um flexibler zu sein und sich Expertise direkt in die Teams zu holen, statt den Bereich komplett outzusourcen. In Deutschland war der Markt bereits weiter fortgeschritten, mit zahlreichen Providern und Agenturen, die Angebot und Nachfrage matchen. Auffällig in Deutschland ist jedoch die oft intransparente und wenig produktorientierte Form der Vermittlung, die nicht immer effizient gestaltet ist. Gerade in Großunternehmen werden Freelancer oft nur über Drittanbieter angestellt, noch dazu mit wenig Automatisierung. Hier sehen wir großes Potenzial für ein direktes, stark digitalisiertes Modell wie das von Malt, das beiden Seiten mehr Autonomie und Entscheidungsfreiheit ermöglicht.

Auftragslage der IT Freelancer in den Ländern

IT Freelancer Magazin: Herr Huguet, wie beurteilen Sie die momentane Auftragslage der IT Freelancer in den Ländern Spanien, Deutschland und Frankreich im Vergleich? Haben Sie vielleicht sogar Daten erhoben?
Vincent Huguet: Der Bedarf an IT-Fachkräften ist nach wie vor hoch. Das hat sich auch während der Corona Krise bestätigt. Trotz Projektrückgängen in manchen Industrien, konnten Schlüsselprojekte im IT-Bereich meist weiterlaufen. Viele Unternehmen haben sogar zugelegt und die Chance genutzt, um wichtige Digitalisierungsprojekte voranzutreiben. Der Bedarf an IT-Fachkräften auf Malt ist auch während der letzten Monate konstant geblieben. Ich gehe davon aus, dass sich diese Tendenz in den kommenden Monaten noch verstärken wird, da Unternehmen Projekte wieder aufnehmen müssen und dafür flexibel auf Arbeitskräfte zugreifen müssen.

Aspekte entscheidend für den Erfolg in Frankreich und Spanien

IT Freelancer Magazin: Was würden Sie deutschsprachigen IT Freelancern raten, welche daran interessiert ist in Frankreich oder Spanien Fuß zu fassen? Welche Aspekte sind entscheidend für den Erfolg?
Vincent Huguet: Reputation und Empfehlungen sind das A und O für Freelancer. Ich würde also Freelancern in allen drei Ländern dazu raten in ihr persönliches Netzwerk und natürlich in ihr Malt-Profil zu investieren. Je mehr Empfehlungen, desto erfolgreicher! Unsere internen Daten zeigen, dass Freelancer die Projekte auf Malt durchführen bis zu 3x schneller ihre Tagessätze steigern.
IT Freelancer Magazin: Herr Huguet, herzlichen Dank für das Interview!

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Björn ist Marketier aus Leidenschaft. In seiner Funktion als Redakteur verfolgt er das Ziel einen klaren Mehrwert für die IT-Freelancer-Community zu schaffen und diese in ihrem stressigen Alltag bestmöglich mit hilfreichen und interessanten Inhalten zu unterstützen. Als freiberuflicher Digital Marketing Consultant unterstützt er außerdem IT-Freelancer dabei, mit ihrer digitalen Präsenz passende Projektanfragen zu erhalten. Er ist zentraler Ansprechpartner beim IT-Freelancer Magazin. Kontaktmöglichkeiten finden Sie über LinkedIn oder per E-Mail: bjoern.brand@it-freelancer-magazin.de

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