Der Bedarf an IT-Experten steigt in der deutschen Wirtschaft über nahezu alle Branchen und Unternehmensgrößen hinweg seit Jahren stark an. Haupttreiber für diese Entwicklung sind Projekte und Transformationsmaßnahmen, die im Zusammenhang mit der Digitalisierung stehen. Digitalisierungsexperten sind für die deutsche Wirtschaft eine essentielle Ressource, um mit den weltweiten Entwicklungen mithalten zu können.
Der Markt angestellter IT-Fachkräfte kann diese Nachfrage seit langem nicht mehr decken. Aber auch die Anzahl freiberuflicher IT-Experten im deutschsprachigen Raum ist begrenzt. Die Nachfrage nach freiberuflichen IT-Experten kann durch den Markt nicht gedeckt werden. Branchenverbände wie die BitKom sprechen in aktuellen Studien von einer Unterdeckung von rund 60.000 IT-Experten und schätzen ab, dass diese Unterdeckung in den kommenden Jahren bis auf über 300.000 ansteigen wird.
Die Verfügbarkeit von selbständigen Wissensarbeitern wird zu einem zunehmenden Erfolgsfaktor für die deutsche Wirtschaft und beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft des Standorts Deutschland.
Agile Methoden der Entwicklung und Weiterentwicklung von digitalen und auch disruptiven Geschäftsmodellen erfordern hochqualifizierte IT-Experten, die projekt- und aufgabenbezogen arbeiten. Da ein Großteil der deutschen Wirtschaft, vor allem der Mittelstand, bei kritischer Betrachtung noch am Anfang der Digitalisierung steht (Automatisierung von Prozessen durch IT, Datenerhebung und Datenverarbeitung), wird die Nachfrage nach hochqualifizierten IT-Experten in den nächsten Jahren ungebrochen stark ansteigen. Unternehmen benötigen diese IT-Experten, um fehlendes Knowhow dazu zu gewinnen. Auch stellen sowohl externes Wissen als auch eine externe Sicht einen entscheidenden Erfolgsfaktor bei der Umsetzung innovativer Themen dar.
Mixed Teams, d.h. Projektteams, in denen angestellte Mitarbeiter und freiberufliche IT-Experten werden zunehmend Realität.
Die digitale Transformation schreitet voran, das deutsche Arbeits- und Sozialrecht berücksichtigt diesen Wandel nicht hinreichend und erschwert den Unternehmen so Zugang und Nutzung des dringend benötigten externen Knowhows. Im Zuge der Diskussionen um die Scheinselbständigkeit und verdeckte Arbeitnehmerüberlassung (Scheinwerk-, Scheindienstvertrag) ist zu beobachten, dass viele – vor allem große Unternehmen – von dem klassischen Beauftragungsmodell auf Basis von time & material Abstand nehmen und alternative Formen der Projektbeauftragung einführen.
So ist zu beobachten, dass zunehmend komplette Projektpakete an Dienstleister übergeben werden, die dann als Generalunternehmer mit Ende-zu-Ende-Verantwortung diese Aufgaben und Projekte für die Kunden abwickeln. Werkvertragliche Beauftragungen gem. §§ 631 ff BGB nehmen zu.
Der Einsatz hochqualifizierter IT-Experten auf Basis des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (Zeitarbeit) stellt weiterhin aus verschiedenen Gründen keine Alternative dar.
Die Vergabe kompletter Projektpakete an einen Dienstleister stellt sowohl den Kunden als auch den Dienstleister vor zwei wesentliche Herausforderungen:

  1. Der Kunde kann das zu liefernde Ergebnis oft nicht so detailliert beschreiben, dass eine vollumfängliche Leistungsbeschreibung Vertragsgegenstand wird. Oft ist dies – gerade bei komplexen Projekten – im Vorfeld schlicht nicht möglich.
  2. Der Dienstleister muss in der Lage sein, geeignete und ausreichende Ressourcen für die Abwicklung des Projektes einzusetzen.

Für diese beiden Herausforderungen kristallisieren sich Lösungen heraus:
Zu 1)
Im Zuge von Vorprojekten werden zwischen dem Kunden und dem Dienstleister die Anforderungen inhaltlicher und technischer Natur erarbeitet und möglichst detailliert beschrieben. Agile und moderne Methoden der Zusammenarbeit (z.B. Design Thinking) werden zunehmend angewandt. Bereits in dieser Phase ist ein entscheidender Erfolgsfaktor, dass der Dienstleister sowohl über ausreichende IT-Expertise verfügt, die Anforderungen des Kunden in die IT-Sprache zu übersetzen, aber auch gleichzeitig das Business des Kunden hinreichend versteht.
Zu 2)
Während der Umsetzung der unter Punkt 1 abgestimmten Leistungsbeschreibungen ist die IT-Expertise des Dienstleisters ein wesentlicher Erfolgsfaktor. In der Regel wird der Dienstleister nämlich nicht über ausreichende interne Ressourcen verfügen, dieses Projekt umzusetzen. Er bedient sich additiv freiberuflicher, hochqualifizierter IT-Experten.
Der Dienstleister ist jedoch aktuell mit der Situation konfrontiert, dass er diese hochqualifizierten IT-Experten nicht vollständig im deutschsprachigen Raum findet. Zunehmend werden daher in den Projekten Wissensarbeiter eingesetzt, die spezifizierte und abgegrenzte Arbeitspakte in einem 24/7 Modell rund um den Globus abwickeln. Voraussetzung hierfür ist, dass der Dienstleister über eine entsprechend hohe IT-Expertise verfügt, ein Kundenprojekt zu strukturieren, die Arbeitspakete zu orchestrieren sowie deren Abarbeitung in time & quality zu überwachen.
Es gibt bereits erste prominente Beispiele erfolgreicher Projektarbeit in weltweit agierenden Teams:
So setzt die Bright Solutions GmbH seit Anfang 2018 auf Experten Teams. Der Full Service Web & App Dienstleister, der Kunden wie die BMW Group Schweiz, VetroTech Saint-Gobain und den Paketdienstleister DPD betreut, bietet mit dem Service „Flash Hub“ Kunden aus verschiedensten Branchen virtuelle Freelance Experten, die aus aller Welt remote für ein bestimmtes Projekt zusammenkommen und ihr Knowhow bündeln. Auch hier zeigt sich die Stärke von hybriden Teams, die sich aus lokalen und globalen Teammitgliedern zusammensetzen. Zu den rund 30 “hybriden” Webprojekten zählen auch die beiden Unternehmens-Websites selbst, Flash Hub und Bright Solutions, die gemeinsam mit externen Experten aus dem Flash Hub Talent-Pool geplant und umgesetzt wurden und nun weiterhin virtuell betreut werden.
Die Zusammenstellung von Projektteams mit nationalen und internationalen IT-Experten bietet zum einen eine Lösungsmöglichkeit zur Überwindung der vorhandenen Ressourcenknappheit.
Zum zweiten erscheint aufgrund der durch die derzeitige Rechtslage bestehenden Erschwernisse im Einsatz von IT-Freiberuflern in diesem Zusammenhang sinnvoll, dass sich die IT-Experten für die Zusammenarbeit in diesen Projekten in Form von temporären juristischen Unternehmensformen zusammenschließen. Welche Formen hier geeignet sind und dem Umstand Rechnung tragen, es einfach und überschaubar sowie kostengünstig zu halten, wird Gegenstand eines weiteren Fachartikels.
Zusammenfassend ist erkennbar, dass das reine Agenturgeschäft, gemeint ist die ausschließliche Vermittlung freiberuflicher Experten ohne dabei inhaltlich, fachlich und organisatorisch auf die umzusetzenden Projekte einzugehen, aus den genannten Gründen rückläufig sein wird. Moderne Formen der Zusammenarbeit erfordern vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels aber auch der rechtlichen Unsicherheit rund um die Scheinselbständigkeitsdebatte zunehmend Dienstleister mit ausgeprägtem IT-Knowhow und Wissen um den Einsatz mordernster Projektsteuerungswerkzeuge sowie praktischer Erfahrungen im weltweiten Besetzen und Abwickeln von Projekten.
Es gibt Lösungsansätze, um den vorhandenen Ressourcenengpass aber auch die rechtlichen Hürden beim Einsatz freiberuflicher IT-Experten zu überwinden. Silke Becker, juristische Unternehmensberaterin, wird demnächst einen Artikel zu diesem Thema im IT Freelancer Magazin veröffentlichen.
Bernd Sauer
Zuletzt Vorstand der Goetzfried AG.
Seit 1.2. 2019 Managing Partner der Management Solution AG sowie ab dem 1.5.2019 Geschäftsführer der G. Muth Partners Corporate Consulting GmbH.
 

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Bernd Sauer ist Vorstand bei WP Board Services AG - Member of WP Human Capital Group

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