Im Dialog mit Peter Rösler, Gründungsmitglied und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schnell-Lesen (DGfSL) und selbst ITler. Seit mehr als 15 Jahren beschäftigt sich Peter auch wissenschaftlich mit dem Schnell-Lesen. Das IT Freelancer Magazin wollte wissen, ob auch IT Freelancer von dieser Technik profitieren können und bat ihn daher zum Interview.
Peter, was ist Schnell-Lesen?
Die durchschnittliche Lesegeschwindigkeit eines Menschen liegt bei 281 Wörter pro Minute (Wpm). Diese kann man jedoch mit zielgerichtetem Training erheblich steigern. Beim kleinen Schnell-Lesen, bei welchem man das innere automatische Mitsprechen trainiert hat, kann man die durchschnittliche Lesegeschwindigkeit auf 443 Wörter pro Minute (Wpm) steigern. Das große Schnell-Lesen basiert im Gegensatz zum normalen Lesen und dem kleinen Schnell-Lesen nicht darauf, dass man den Text Wort für Wort liest, sondern mehrere Worte mit einem gezielten Blick auf einmal erfasst und dann mit den Augen durch den Text springt. Diese Technik ist deutlich schwieriger zu erlernen und funktioniert auch nur bei 50% der Trainierenden.
Geht Schnell-Lesen in Englisch besser als in Deutsch?
Das dürfte keinen großen Unterschied machen. Man kann hilfsweise die Statistiken der Sprechgeschwindigkeiten heranziehen: 371 Silben werden pro Minute im Durchschnitt im Englischen gesprochen und 358 Silben pro Minute im Deutschen. Da das innere Sprechen für die Lesegeschwindigkeit beim kleinen Schnell-Lesen ausschlaggebend ist, dürfte es kaum messbare Unterschiede geben. Konkrete Studien zu dieser Forschungsfrage gibt es jedoch tatsächlich (noch) nicht.
Funktioniert das Schnell-Lesen auch mit Programmcode?
Wenn jemand durch die beschriebenen Techniken lernt, schneller zu lesen, heißt das nicht, dass er deswegen auch schneller denken kann. Wenn bei ihm die Mitdenkgeschwindigkeit eines komplexen „Textes“ bei 100 Wpm liegt, dann ist das eben der limitierende Faktor. Aber die Frage zielt ja auf etwas anderes: Nutzt das Schnell-Lesen einem IT Freelancer im beruflichen Alltag? Und die Antwort lautet: Eindeutig JA! Nicht bei Quellcode, aber bei Dokumentationen, Spezifikationen, E-Mails, … kann die Schnell-Lese-Technik die eigene Arbeit beschleunigen. So kommt eine meiner Studien zu dem Schluss, dass Ingenieure und Informatiker durchschnittlich 1/3 ihres täglichen Lesestoffes durch Schnell-Lese-Training beschleunigen können. Bei 2,6 Lesestunden pro Tag und einer Steigung der Lesegeschwindigkeit von beispielsweise 269 auf 443 Wpm, kann man pro Jahr 50 Lesestunden einsparen. Das kleine Schnell-Lesen zu trainieren dauert insgesamt lediglich 7,5 Stunden!
Gibt es einen Unterschied zwischen Frauen und Männern, was das Schnell-Lesen angeht?
Es scheint mir unwahrscheinlich, dass es da einen großen Unterschied gibt, aber das wurde bisher nicht explizit untersucht. Der Gegenstand des Schnell-Lesens wurde bisher von der Wissenschaft ohnehin noch nicht wirklich entdeckt und so gibt es bis heute nur wenige Studien auf die wir zurückgreifen können.
Lernen Programmierer das Schnell-Lesen schneller, da sie trainiert sind, Sprachstrukturen zu erkennen?
Darüber hat die Forschung bislang keine Erkenntnisse gewonnen – ich halte dies jedoch für eher unwahrscheinlich. Beim kleinen Schnell-Lesen wurden die Sprachareale im Gehirn trainiert, schneller innerlich mitzusprechen. Letztendlich kann ja jeder sprechen und in der Sprechgeschwindigkeit gibt es wohl keine signifikanten Unterschiede zwischen verschiedenen Berufsgruppen – von Spezialbranchen einmal abgesehen. Ein Programmierer hat demnach keinen Vorteil beim Schnell-Lesen gegenüber einem Fabrikarbeiter.
Wie viel schneller liest man einen Roman als IT-Fachliteratur?
Das wird Dich überraschen, denn es kann auch genau andersherum sein: Wenn sich beispielsweise das Fachbuch um das eigene Fachgebiet dreht, kann es sogar schneller im Schnell-Lese-Modus gelesen und verstanden werden, als Romane die beispielsweise mit vielen Eigennamen gespickt sind.
Peter, wie können unsere Leser das Schnell-Lesen lernen?
Gerne in einem persönlichen Training mit mir. Wer möchte kann es aber auch alleine probieren: Irgendeinen Text 15 Minuten so schnell lesen, wie es geht und dabei permanent darauf achten, nicht ins überfliegende Lesen zu geraten. Wer ins überfliegende Lesen rutscht, merkt das recht einfach daran, dass er nicht mehr alles Gelesene versteht. Dies wiederholt er zweimal die Woche ein Viertel Jahr lang. Nicht vergessen, einen Serientermin in Outlook anzulegen, denn die meiner Meinung nach größte Hürde beim Schnell-Lesen-Lernen ist mangelnde Kontinuität im Training.
Beherrschst Du selbst neben dem kleinen auch das große Schnell-Lesen?
Ja. Im Jahr 2002 habe ich mich im kleinen Schnell-Lesen auf 450 Wpm hochtrainiert. Im Jahr 2006 hat schließlich das große Schnell-Lesen bei mir geklappt und ich erreiche heute eine Lesegeschwindigkeit von ungefähr 1500 Wpm.
Wie schnell hat ein kleiner Schnell-Leser Dein knapp 400 Seiten umfassendes Buch gelesen?
Das 400-seitige Buch (kostenlos hier downloadbar) hat 135.000 „Standard-Wörter“. Ein Durchschnittsleser mit beispielsweise 269 Wpm braucht dafür 8,3 Stunden und jemand, der das kleine Schnell-Lesen gelernt hat (durchschnittlich 443 Wpm) braucht nur 5,0 Stunden. Weil aber kaum jemand den 200-seitigen Anhang lesen wird, sondern nur die ersten 200 Seiten, sind die Werte eher 4,15 Stunden für den Durchschnittleser und 2,5 Stunden für jemand, der das kleine Schnell-Lesen gelernt hat.
Peter, vielen Dank für dieses aufschlussreiche Interview!

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Michael Wowro war von 2015 bis 2021 Herausgeber des IT Freelancer Magazins. Dieses Amt hat er zugunsten seines Unternehmens für 3D-Visualisierung von Messdaten else42 GmbH an Hays übergeben. Er freut sich auf eine Kontaktaufnahme via LinkedIn!

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