Interview mit Ute Blindert, der digitalen Dame. Ute Blindert liefert Impulse für Unternehmen und deren Fach- und Führungskräfte. Sie begleitet vor allem Akademiker in Karriere- und Selbstmarketingfragen. Mehr Mut zur Eigenverantwortung, ob als Mitarbeiter oder Gründer, liegt ihr sehr am Herzen. Ute Blindert meint, dass Deutschland mehr Bewegung braucht – und eine andere Kultur für Entrepreneurship.


Frau Blindert, brauche ich als IT-Fachkraft überhaupt ein Netzwerk? Unternehmen suchen doch sowieso aktiv nach mir.
Ute Blindert: Das stimmt. IT-Kräfte haben es auf den ersten Blick sehr gut. Sie brauchen nur ein rudimentäres Profil bei Xing oder LinkedIn einstellen, schon werden sie reihenweise angesprochen. Leider nicht immer von den passenden Leuten mit den richtigen Jobs. Sie müssen sich also damit auseinandersetzen, wie sie die richtigen Unternehmen auf sich aufmerksam machen.

Wie gehe ich am besten vor?
Ute Blindert: Hier hilft es, sich ausführlich damit auseinanderzusetzen, was man wirklich will. Möchte ich ins Projektmanagement oder ein Top-Spezialist für Kryptologie werden? Möchte ich in einem großen, internationalen Unternehmen arbeiten oder lieber in einem Start-up von Anfang an mitgestalten? Je nachdem, was ich mir für meinen Berufsweg wünsche, sollte das Profil darauf angepasst werden. Das funktioniert durch Schlüsselwörter im Profil, zum Beispiel in den Feldern „Ich biete“ bei Xing oder bei LinkedIn, aber auch durch das Profilbild. Außerdem würde ich sehr aktiv gegen falsche Ansprachen vorgehen und diese Personen für Nachrichten sperren. Gerade bei LinkedIn gibt es sehr viel Ansprache nach dem Gießkannenprinzip. Headhunter aus dem angelsächsischen Raum sind da nicht besonders zurückhaltend und rufen auch auf dem Handy an.

Wie kann ich denn dafür sorgen, dass ich für passende Jobs angesprochen werde?
Ute Blindert: Eine interessante Möglichkeit finde ich ist auch Careers 2.0 bei StackOverflow. Hier wurde an ein Fachforum ein Jobnetzwerk angedockt, bei dem zum Beispiel die Kandidaten die Ansprache bewerten und auch Personen sperren können. Wer hier zum Beispiel Java-Entwickler für C# anspricht, kann schlecht bewertet werden und bekommt keinen Zugang mehr zu Kandidaten. Ein super spannendes Modell! Insgesamt bieten sich Foren natürlich zum Netzwerken an. Durch den Austausch merken auch die Leute untereinander, wie kompetent jemand ist und wie er als Mensch tickt. Viele Jobs werden darüber vermittelt. Es lohnt sich also, in Foren präsent zu sein.

Das waren ja virtuelle Wege. Wo kann ich denn im richtigen Leben Netzwerke knüpfen?
Ute Blindert: Überall (lacht). Nein, im Ernst, streng genommen gibt es keine Grenze beim Netzwerken. Auch im privaten Umfeld kann sich so ein Jobangebot ergeben. Wichtig ist meistens, dass man klar erklären kann, was man gelernt hat, wo die Stärken liegen und vor allem, was man sich als Arbeit vorstellt. Dann hat auch vielleicht der Nachbar einen Tipp für ein gutes Praktikum oder ein cooles Unternehmen.

Sind Berufskollegen nicht effektiver?
Ute Blindert: Klar, vieles ergibt sich durch Fachkontakte, zum Beispiel während des Studiums, eines Praktikums oder auch bei Fachmessen und Konferenzen. Ich empfehle zum Beispiel auch, die CeBIT als Jobbörse zu besuchen und dabei mit den Fachleuten zu sprechen. So sprechen Sie direkt auf Augenhöhe von Informatiker zu Informatiker und müssen erst einmal nicht den Umweg über die Personalabteilung gehen. Die brauchen Sie hinterher immer noch, aber als Türöffner ist das ein guter Weg. Besonders spannend finde ich die Hackathons, die bundesweit stattfinden, bei denen Informatiker mit Ingenieuren, BWLern und anderen Fachrichtungen zusammenarbeiten. Ein gutes Projekttraining! Und man lernt auf lockere Art und Weise Unternehmen kennen.

Ganz schön aufwendig. Lohnt sich das überhaupt?
Ute Blindert: Wenn Sie jetzt eine Garantie wollen – die kann ich nicht geben. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass sich jeder Chancen „erarbeiten“ kann. Also, wer auf eine Messe geht und mit zehn Menschen spricht, wird immer etwas klüger nach Hause gehen, als er morgens hingegangen ist. Wer sich in Foren zu Wort meldet, wird immer etwas lernen und auch wahrgenommen. Wer auf einem Hackathon sein Können beweist, bekommt vielleicht nicht nach dem ersten Event seinen Traumjob, dann aber nach dem zweiten oder dritten. Denn darüber sprechen wir hier: Nicht irgendeinen Job zu finden, sondern den passenden Job. Mein Tipp dazu: Sich über Gutes freuen, ein „Nein“ akzeptieren: Wer mit der Haltung „Mal schauen, was sich ergibt!“ netzwerkt, akzeptiert leichter, wenn es mal nicht klappt.

Wenn sich meine Jobsuche nun doch als schwierig gestaltet, was kann ich selbst machen?
Ute Blindert: Zunächst einmal sollte man sich immer klar machen: Wenn ich mein Netzwerk brauche, ist es zu spät, es aufzubauen. Und es ist wesentlich schwieriger. Denn dann, wenn ich eigentlich nichts Besonderes von einer Person möchte, bin ich am lockersten: Es geht ja um nichts. Also: Am besten heute mit dem Netzwerkaufbau beginnen. Gut ist es auch, mit Systematik daran zu gehen. Also auch mal zu schauen: Wen finde ich interessant? Von wem kann ich noch lernen? Mit wem möchte ich mich mal austauschen? Gut ist es auch, sich zum Beispiel vorzunehmen: Ich gehe jede Woche ein bis zwei Mal mit fremden Menschen essen! Oft gehen wir nämlich mit den immer gleichen Kollegen in die Kantine und reden immer über die gleichen Sachen. Suchen Sie sich ganz bewusst andere Kontakte. Dieser zwanglose Austausch beim Essen führt zum Beispiel bei mir zu immer wieder schönen Überraschungen und tollen Projekten.

Wie wichtig ist die eigene Website?
Ute Blindert: Es kommt darauf an. Wenn ich selbständig bin, geht es meiner Meinung nach nicht ohne Visitenkarte im Netz. Das gilt besonders für Berufe in den Medien. Wer angestellt arbeitet, braucht das nicht unbedingt, hier reichen die Profile in den Business-Netzwerken. Wenn ich aber Spaß daran habe zu bloggen, würde ich es einfach machen.

Und was ist mit Facebook. Sollte man es für das Jobnetzwerk nutzen?
Ute Blindert: Ich finde Facebook ein wunderbares Tool zum Netzwerken. Das ist aber sicher auch eine Generationenfrage. Es sind viele Unternehmen auf Facebook präsent und hier mit Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen, ist ziemlich leicht. Außerdem kann man sich relativ leicht auch mit diesen vernetzen. Der Tonfall ist viel lockerer und viele Fragen lassen sich schnell im Chat klären.

Worauf sollte man da besonders achten?
Ute Blindert: An sich versteht man Facebook ja sehr schnell. Es bietet aber eine Reihe von Funktionen, die viele gar nicht kennen. So kann ich ja durch Listen sehr genau steuern, wer von meinen Facebook-Freunden was zu sehen bekommt. Ich würde also ziemlich genau zwischen privat und beruflich trennen. Wenn ich zum Beispiel auf einer Fachmesse war, interessiert das meine beruflichen Kontakte, aber nicht meine Freunde. Also teile ich es eben nur mit der Liste „Berufsnetzwerk“. Und natürlich sollte ich dafür sorgen, dass private Inhalte auch nur mit engen Freunden oder der Familie geteilt werden. Und grundsätzlich wäre ich mit sehr privaten Inhalten extrem vorsichtig. Meine Regel lautet: Was ich nicht an einer Wand im Büro veröffentlichen kann, gehört auch nicht auf Facebook.
Frau Blindert, herzlichen Dank für dieses Interview.

Zum Vertiefen des Themas kannst Du das Buch von Ute Blindert lesen: Per Netzwerk zum Job: Insider zeigen, wie du deine Träume verwirklichen kannst, plus E-Book inside (ePub, mobi oder pdf) (campus smart)
Dieser Artikel ist zum ersten Mal erschienen im IT Job Magazin, Heft 4/2015 (dem gedruckten Vorläufer des IT Freelancer Magazins)

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Michael Wowro war von 2015 bis 2021 Herausgeber des IT Freelancer Magazins. Dieses Amt hat er zugunsten seines Unternehmens für 3D-Visualisierung von Messdaten else42 GmbH an Hays übergeben. Er freut sich auf eine Kontaktaufnahme via LinkedIn!

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