„Die Einführung unserer neuen IT-Lösung wäre so einfach, wenn nicht diese sturen, unflexiblen und am Status-quo-festhaltenden Benutzer wären.“, geht so manchem IT-ler durch den Kopf, wenn er an sein letztes Einführungsprojekt denkt.
Für uns IT-Profis ist der Umgang mit einem neuen System Alltag, vor allem, wenn wir es selbst entwickelt haben.
Wir sehen die Vorteile der neuen Lösung und sind davon überzeugt, dass auch der Anwender von deren Möglichkeiten überzeugt sein muss. Da außerdem viele Fehler des alten Systems beseitigt wurden, muss der Anwender doch erst recht begeistert sein.
Ist er aber nicht.
Für ein Seminar eines meiner Kunden stand ich vor der Aufgabe, dessen IT-Beratern zu vermitteln, warum die Kunden-Mitarbeiter die Einführung der neuen ERP-Lösung nur selten mit Begeisterung annahmen, sondern unzählige Gründe fanden, doch am alten System festzuhalten.
Dabei kam mir ein Video in den Sinn, das sich genau mit dieser Grundproblematik auseinander setzt: (Nahezu) jeder von uns kann Fahrrad fahren. Wir haben es irgendwann einmal gelernt und wissen instinktiv, wie wir uns auf den beiden schmalen Reifen verhalten müssen, um nicht permanent umzufallen. So geht es auch unseren Benutzern der Altsysteme. Diese wissen, wie sie mit ihrem existierenden IT-System umzugehen haben.
Jetzt stellen Sie sich vor, Sie bekämen ein Fahrrad, das zu 99% identisch ist mit den Rädern, die Sie kennen. Mit einer Ausnahme. Der Lenker ist so befestigt, dass dessen Bewegung und die Reaktion des Vorderrads gegenläufig sind. Drehen Sie den Lenker nach rechts, geht das Vorderrad nach links.
Klingt nicht so schwierig, oder?
Wir sind doch hochintelligente IT-ler. Wäre doch gelacht, wenn wir eine solch einfache Veränderung nicht locker verarbeiten könnten.
Wetten, Sie können es nicht?
Sehen Sie hier:
Was bedeutet das nun für unser IT-Einführungsprojekt?
Was für Sie unglaublich einfach, nachvollziehbar und logisch erscheint, das kann für Ihre Anwender zu einem unüberwindlichen Hindernis werden. Denn im Gegensatz zu Destin aus dem Video, der viele Woche benötigt hat, um mit dem neuen Fahrrad umgehen zu können, müssen unsere Anwender oft ganz ohne oder mit nur minimaler Schulung und Übung sofort produktiv werden.
Wenn Sie also beim nächsten IT-System feststellen, dass die Benutzer zögern oder Schwierigkeiten bei der Nutzung haben, dann denken Sie daran wie es Ihnen gehen würde, wenn der Lenker Ihres Fahrrads plötzlich gegenläufig funktionieren würde.
Autor, Führungskräfte Coach, Leadership Trainer, Ex IT-Unternehmer
Twitter: @ITfuehrung
Microsoft FoxPro war Axel Rittershaus‘ Einstieg in die IT-Welt. 1993 begann er damit freiberuflich für Kunden Software zu entwickeln. Daraus wurde eine 15-jährige IT-Karriere mit seinem eigenen IT-Unternehmen, das auf Software-Entwicklung (Oracle) und Beratung spezialisiert war. Nach dem Verkauf des Unternehmens war Axel Rittershaus kurzzeitig bei Accenture und mehrere Jahre bei einem mittelständischen IT-Dienstleister tätig.
2008 machte er sich wieder selbständig und fokussiert sich seitdem darauf, als Coach und Trainer sowohl Führungskräfte als auch Berater und Mitarbeiter in der IT-Branche zu unterstützen. Er coacht und trainiert IT-Unternehmen und IT-Abteilungen aller Größenordnungen in Europa, Asien und Afrika. Mehr über seine Trainings findet sich auf www.targetter.de. In seiner Freizeit nimmt er an Ultra Marathon Läufen teil.
Im Februar 2016 erscheint sein Fachbuch „Führungspraxis für Ingenieure und IT-Experten“ im Springer Vieweg Verlag. Details dazu unter www.it-fuehrungspraxis.de.