Jana Schimke (MdB, CDU) ist für die Unions-Bundestagsfraktion die sog. Berichterstatterin zum Thema Altersvorsorge für Selbständige – oder anders ausgedrückt, sie ist neben Hubertus Heil, dem Minister für Arbeit & Soziales eine Schlüsselfigur, was die Ausgestaltung des drohenden Altersvorsorgezwangs für Selbständige angeht, den der Koalitionsvertrag ausdrücklich vorsieht. Nachdem der SPD-Minister Anfang April 2019 einen entsprechenden Gesetzentwurf für das Jahresende ankündigte, traf das IT Freelancer Magazin mit Jana Schimke zusammen, um die Unionsposition in dieser Frage auszuleuchten – mit überraschenden Ergebnissen.

IT Freelancer Magazin: Der Wettbewerb zum IT Freelancer des Jahres dient auch dazu, den IT-Freelancer an sich Gesellschaft und Politik näher zu bringen; seine Interessen, aber vor allem seine Bedeutung für die Digitalisierung Deutschlands aufzuzeigen. Haben Sie zufällig einen IT-Freelancer (also einen selbständigen ITler ohne Angestellte) in Ihrer Bekanntschaft?

Jana Schimke: Tatsächlich noch nicht.

IT Freelancer Magazin: Der Unmut in der IT-Freelancer-Community ist groß. Einerseits weil Hubertus Heil Selbständige so hinstellt, als könnten sie nicht für sich selbst sorgen und andererseits weil sie sich ungerecht behandelt fühlen, da Parlamentarier und Beamte nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen müssen. Halten Sie solche Argumente für Polemik?

Jana Schimke: Nun ja. Die Altersvorsorge der Parlamentarier und Minister ist zwar ein nachvollziehbar emotionales Thema, aber für die Rente kein relevantes, denn diese beiden Berufsgruppen fallen aufgrund der geringen Zahl fast überhaupt nicht ins Gewicht. Beamten-Pensionen fallen dagegen zwar tatsächlich ins Gewicht, aber es brächte ja keinen grundlegenden Vorteil, wenn Beamte künftig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen würden. Dann müssten deren Rentenansprüche eben aus dem Topf der Deutschen Rentenversicherung statt aus Haushaltsmitteln bestritten werden. An der Rentenhöhe heutiger und künftiger Rentner würde dies nichts ändern.

IT Freelancer Magazin: Sie sind im Bundesvorstand der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, d.h. neben den IT-Freelancern sind Ihre Mitglieder massiv von der wohl tiefgreifendsten Umwälzung im Altersvorsorgesystem Deutschlands seit dem Zweiten Weltkrieg betroffen. Ein Vorschlag von Selbständigen-Verbänden wie dem VGSD ist es, den Altersvorsorgezwang wenigstens nur auf zukünftige Selbständige anzuwenden. Was halten Sie davon?

Jana Schimke: Genau das ist auch meine Position. Gerade bei diesem Aspekt wird es jedoch mit Sicherheit Krach mit unserem Juniorpartner SPD geben, denn der sieht das bekanntlich anders. Insgesamt vertrete ich persönlich die Auffassung, dass die Politik sich in elementare unternehmerische Entscheidungen nicht einmischen sollte: jeder Selbständige braucht mehr Freiheiten als ein Angestellter und ‚bezahlt‘ diese mit einem geringeren Schutz durch die Solidargemeinschaft. Was unterscheidet sonst den Angestellten noch von einem Selbständigen?
Ich denke aber, dass im Falle einer nicht existenzsichernden Selbstständigkeit die Frage nach der Sinnhaftigkeit gestellt werden muss. Immerhin leben wir in einer Zeit des Fachkräftemangels und eine abhängige Beschäftigung wäre möglicherweise die bessere Alternative.

IT Freelancer Magazin: Deutschland droht die Abwanderung von 48% aller IT-Freelancer, wie eine Umfrage von Gulp und VGSD ergab. Als Hauptgrund wird die Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit der Scheinselbständigkeit angeführt. Die Rechtsunsicherheit rund um die Scheinselbständigkeit beschäftigt die IT-Freelancer fast noch mehr als der drohende Altersvorsorgezwang. Wäre das nicht ein Deal von Seiten der Politik: Einerseits verpflichten wir Euch Selbständige zur Altersvorsorge, andererseits werden die Sozialversicherungsträger angewiesen, Scheinselbständigkeit nicht mehr zu verfolgen?

Jana Schimke: Diese Umfrage ist sehr wertvoll für uns, denn wir können sie in die Verhandlungen mit einbringen. Es kann nicht sein, dass die (inzwischen sehr mobilen) Leistungsträger das Land scharenweise verlassen, weil sie in anderen Ländern bedeutend weniger vom Staat schikaniert werden und eine weit größere unternehmerische Freiheit genießen als bei uns. Das kann letztendlich auch nicht im Interesse der SPD sein.
Jedoch wird die Scheinselbständigkeit auch nach der Einführung einer Altersvorsorgepflicht für Selbständige immer noch ein Thema der übrigen Sozialversicherungsträger bleiben. Auch wenn jeder Selbständige dann für sein Alter vorsorgen würde, bliebe ja die Frage bestehen, ob er z.B. Arbeitslosenversicherung abführen muss (Angestellter) oder nicht (Selbständiger).

IT Freelancer Magazin: Laut Koalitionsvertrag (siehe Seite 93, Zeilen 4290 bis 4299) sollen Opt-out-Möglichkeiten geschaffen werden, die insolvenzsicher sind. Herr Heil deutet jedoch an, nur Rürup zulassen zu wollen. Laut Expertenmeinung (Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala) ist die vom Minister vorgeschlagene Rürup-Rente aber gar nicht insolvenzsicher. Müsste Rürup da nicht erst einmal nachgebessert werden?

Jana Schimke: Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass staatlich geförderte Altersvorsorgesysteme auch insolvenzgeschützt sind. Bevor das Gesetz verabschiedet wird, wird dieser Punkt jedoch noch einmal juristisch genauestens geprüft.

IT Freelancer Magazin: Laut einer Studie des Bundesverbands Selbständige Wissensarbeit in Zusammenarbeit mit dem Allensbach-Institut verdienen IT-Freelancer im Schnitt in der Stunde 86€ und 97% sorgen für ihr Alter vor. Wird sich die Union dafür einsetzen, dass es neben der Rürup-Rente noch weitere Opt-out Möglichkeiten geben wird, z.B. Aktien-Sparpläne oder Immobilien?

Jana Schimke: Ja, genau dafür werden wir uns einsetzen! Diese Freiheit darf der Staat einem Selbständigen nicht nehmen.

IT Freelancer Magazin: Im Gegensatz zu Riester ist die Möglichkeit des Wechsels eines Rürup-Vertrags vom einen Versicherungsanbieter zum anderen nicht gesetzlich vorgeschrieben (Stichwort: Portabilität). Wird damit nicht der Wettbewerb unter den Versicherungsanbietern eingeschränkt?

Jana Schimke: Nein, bei Riester wurde diese Möglichkeit geschaffen, weil sonst ein Angestellter durch häufige Arbeitsplatzwechsel seine Altersvorsorge ‚zerfleddert‘. Bei Rürup besteht diese Notwendigkeit nicht, da es für Rürup nicht relevant ist, welcher unternehmerischen Tätigkeit der Selbständige nachgeht. Da sollte man auch dem Vertragspartner, in dem Fall das Versicherungsunternehmen, Rechtssicherheit geben – Verträge sind nun einmal einzuhalten. Schließlich muss sich jeder wirtschaftliche Akteur ja auf gewisse Geschäftsgrundlagen verlassen dürfen – im gegenteiligen Fall jedenfalls wird der Wettbewerb eingeschränkt.

IT Freelancer Magazin: Das Statusfeststellungsverfahren ist ein Instrument, welches an sich schon völlig an den Marktwirklichkeiten vorbeigeht. Kein IT-Freelancer kann bei der Annahme eines Auftrages auf das Ergebnis eines (wie auch immer von der Politik noch so optimierten) Statusfeststellungsverfahrens warten, weil sonst seine Konkurrenz den Zuschlag bekommt. Fachleute raten ohnehin davon ab, freiwillig ein Statusfeststellungsverfahren anzustoßen. Wie werden Sie sich dazu positionieren?

Jana Schimke: Das Statusfeststellungsverfahren ist bislang ein zentrales Instrument zur Feststellung der Selbständigkeit. Inwieweit das auch zukünftig noch der Fall sein wird, wird noch Gegenstand der Diskussion in diesem Jahr werden.

IT Freelancer Magazin: Wissen Sie auf welche Grundlage Herr Heil die Behauptung stützt, in Deutschland gäbe es 3 Millionen Selbständige, die im Alter nicht abgesichert sind?

Jana Schimke: Das wüsste ich auch nur zu gerne – diese Zahl hat mich, vorsichtig ausgedrückt, sehr überrascht. Ohne meinem Kollegen Heil zu nahe treten zu wollen, manchmal entstehen im Politikbetrieb solche Zahlen auf abenteuerliche Weise. Da ich an dieser Stelle nicht weiter spekulieren möchte, werde ich beim Ministerium diesbezüglich eine kleine Anfrage stellen.

Das Interview wurde am 10.4.2019 zwischen Jana Schimke (MdB, CDU) und Michael Wowro (IT Freelancer Magazin) im Abgeordnetenbüro Frau Schimkes in Berlin geführt. 

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Michael Wowro war von 2015 bis 2021 Herausgeber des IT Freelancer Magazins. Dieses Amt hat er zugunsten seines Unternehmens für 3D-Visualisierung von Messdaten else42 GmbH an Hays übergeben. Er freut sich auf eine Kontaktaufnahme via LinkedIn!

5 Kommentare

  1. Andreas Guthier on

    Die Behauptung 3 Mio. Selbständige würden für ihr Alter nicht vorsorgen steht schon lang im Raum.
    Weshalb hat Frau Schimke nicht längst nachgefragt?
    Tut sie ihre Arbeit nur, wenn sie drauf aufmerksam gemacht wird?

  2. Sukowski, Rolf on

    Ist Frau Sch. auch so konsequent gegen den Zwang, IHK-Mitglied sein zu müssen? Und wer denkt an die Nicht-Top-IT-Freelancer?

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