Im Bereich der Freelancer-Projekte gibt es seit der Novelle im Arbeitsrecht vom April 2017 viel Aufregung und Kritik.
In meinen Augen hat diese allerdings die falsche Stoßrichtung. Denn viel hat der Gesetzgeber gar nicht geändert. Ja, er hätte das schöner machen können, jedoch dürfte die Reaktion der Auftraggeber, lieber gar keine Freelance-Projekte umzusetzen, ein bisschen weit gehen und vorauseilender Gehorsam sein, der schädlich ist.
Compliance ist und bleibt der Dreh- und Angelpunkt zum Verhindern negativer Folgen, egal welcher Natur. Vermeidung von Geschäftsbereichen ist selten die beste Lösung gewesen. Wenn man sich den Datenschutz und die Produkthaftung ansieht, so lauert eben dort viel mehr Ungemach als bei der Beauftragung von Freelancern. Alles zusammen bekommt man in einem Compliance Management System gecovert. Dazu braucht es auch nicht unbedingt TÜV oder Dekra zur Zertifizierung, denn das interessiert Prüfbehörden relativ gar nicht.
Der Schwerpunkt der neuen Gesetze und die Scheinselbständigkeit an sich
Was ist geschehen: Der Gesetzgeber hat 2017 die Fallschirmlösung gekippt und die Möglichkeit abgeschafft, gepfuschte Verträge bei Aufdeckung nachträglich zu heilen. Beim Erstellen meiner Masterarbeit hat sich mir stets die Frage gestellt: Wie kommt man von einem Freelancer-Projekt zur Arbeitnehmerüberlassung? Eigentlich nur, wenn man tatsächlich kein Freelancer-Projekt hat. Diese seiltanzartige Lücke wurde nun mal jetzt geschlossen. Aber sonst?
Leider hat der Gesetzgeber ein relevantes Mittel nicht umgesetzt. Nämlich eine Anweisung an Prüfer, wie ganz genau zu prüfen sein soll. Und nur das ist derzeit das echte Problem. Denn die vier zuständigen Gerichtsbarkeiten urteilen ziemlich genau seit 1998 in Fällen der Arbeitnehmereigenschaften exakt nach den gleichen Kriterien (eigentlich wird sogar sogar schon seit den 50ern so geurteilt. 1998 wurde „nur“ durch das Gesetz zur sozialen Absicherung flexibler Arbeitszeiten der Startschuss für Scheinselbständigkeits-Sachverhalte gegeben). Das ändert auch die Novelle nicht. Entsprechend sollte sich die Branche und ihre Verbände besser auf des Pudels Kern konzentrieren und nicht versuchen, ins BGB neue Vorschriften hineinzubekommen, die da gar nicht hingehören. Das BGB hat nun den Arbeitnehmer, bzw. genauer den Arbeitsvertrag definiert. Warum soll das BGB dann ins Detail gehen und eine Gebrauchsanweisung vorhalten, wann welches Kriterium wofür spricht? Als Scrum Master weiß ich, wie völlig anders die agile Software-Entwicklung arbeitet, als das BGB abhängige Beschäftigung vorsieht. Möchten wir eine Unterabteilung, so etwas wie das IT-relevante BGB? Das wird wohl misslingen. Und wer weiß, was in ein paar Jahren die Arbeitswelt prägt und das BGB muss immer noch passen.
Schöner wäre es, gewünschte Kriterien in Arbeitsanweisungen an die Prüfer zu gießen. So zum Beispiel an die Deutsche Rentenversicherung. Diese prüft die Arbeitnehmereigenschaft nach den gängigen juristischen Prüfschemata. Und dabei hält sie sich an die „Gemeinsamen Rechtlichen Anweisungen der Rentenversicherungsträger“ (GRA). Sie prüft nur BGB und Sozialgesetzbücher. Schon relevante Gesetze wie das HGB, die nun explizit für Selbständigkeit zuständig sind, finden in der Prüfung gar nicht statt.
Soweit dazu, wie schön die Welt doch wäre, wenn…
Keine Chancen verschenken aufgrund von falscher Vorsicht
Was ist der Umkehrschluss und wie lösen Auftraggeber das Dilemma?
Zuallererst: Bitte keine Angst haben. Sodann: Haben Sie das Mindset, mit einem Freelancer auf Augenhöhe zu arbeiten. Ein zentraler Fehler ist, einen Kontrollzwang auszuleben. Kontrollzwang bedeutet, Dinge um des Kontrollierens willen zu kontrollieren oder zu bestimmen. Das wäre der direkte Weg in die Scheinselbständigkeit.
Sie werden Freelancer beauftragen, weil sie dessen Expertise brauchen. Es kann Sie den ganzen Tag lang ärgern, dass sie diese Fachkraft nicht in Festanstellung bekommen. Es hilft aber nichts, es macht Ihnen das Leben nur schwerer als es sein muss. Rechtsanwälte werden oftmals beratend sagen, dass man besser gar nicht projektiert als mit Freelancern. Das ist ein fataler Trugschluss. Um nicht missverstanden zu sein: Die drohenden Zahlungen und mögliche Strafen sind schon durchaus eine Bedrohung. Ein Anwalt oder die Hausjuristen, die Gefahren im Vorfeld minimieren sollen, werden schon deshalb raten, lieber die Hände davon zu lassen und dieses heiße Eisen nicht anzufassen, weil sie Risiken minimieren sollen. (Während im Übrigen anderenorts die zukunftsweisenden Lösungen mit den Experten weiterentwickelt werden, die aus falsch beratender Furcht von Ihnen nicht beauftragt werden.) Vermutlich ist bei den angefragten Juristen aber nur nicht bekannt, wie das geht und der Glaubenssatz, dass alles bürokratische Monster produzieren würde, ist schnell gefestigt. Und auch hier liegt ein Irrtum. Ich hatte zwei Großprojekte, die mit einem duzendseitigen Vertragskonstrukt geregelt werden sollten, wobei die Aufgabenbeschreibung mitunter so kleinteilig war, dass genau diese Beschreibung für tiefere Prüfung gesorgt hätte.
Compliance Management System: In einfacher Dokumentation liegt der Schlüssel
Was ist zu tun? Machen Sie sich bewusst, dass es eine andere Vertragsart ist und sprechen Sie auch so. Arbeitszeiten, Stelle und Gehalt sind reine Arbeitnehmerbegriffe. An sich nicht schädlich, aber hindert beim richtigen Mindset. Es sind Leistungszeiten, die der Auftragnehmer erbringt und Ihnen mitteilt, wann er sich diese einteilt und wann geliefert werden soll. Es ist eine Abstimmung auf Augenhöhe. Sie können auch weiter formulieren, wann Sie was fertiggestellt sehen möchten. Nur muss der Freelancer ernsthaft ablehnen können oder Gegenvorschläge machen. Und es ist eine Vakanz für die ein Honorar bezahlt wird.
Formulieren Sie, was zu tun ist und wann Sie es erwarten. Wenn Sie in Scrum arbeiten, dann ist es sogar noch einfacher, da die Timebox eh den Sprint zeitlich limitiert. Wichtig ist dort, dass der Freelancer die Länge des Sprints mitbestimmen darf. Für beide Seiten, also Freelancer und Auftraggeber, empfiehlt sich die Dokumentation von Zusammenarbeit und unternehmerischer Tätigkeit. Freelancer können ihre Projektangebote archivieren und Berufshaftpflichtversicherungen aktuell halten und ihren Internetauftritt pflegen. Auftraggeber können mögliche Projektausschreibungen dokumentieren: Welche Skills werden wofür gebraucht und wo es möglich ist festhalten, warum hierfür eine externe Kraft gebraucht wird. Bei der Doku muss auch kein großer Aufwand entfacht werden. Speichern Sie ab und achten Sie auf das richtige Wording.
Das Wording im Umgang miteinander wird für Prüfer wichtig sein, da nicht die Verträge eine Relevanz haben, sondern das Projekt. Daher sind Mailverkehr und Aktennotizen von Relevanz. Darin darf nicht der Eindruck entstehen, irgendetwas würde angewiesen werden. Weder die Zeit noch der Ort noch die Deadline noch das Wie. Es mag umständlich anmuten, wird aber helfen. Gehen Sie die Schleife, indem sie fragen, wann eine Fertigstellung vom Leistenden geplant und zugesichert werden kann. Natürlich dürfen Sie formulieren, dass eine Fertigstellung „bis zum“ Ihre Priorität hat. Der Freelancer muss jedoch die Wahl behalten und das Verlieren eines Auftrages, weil die Vorgabe nicht zugesagt werden kann, gehört zum unternehmerischen Risiko des Freelancers..
Die Zusammenarbeit mit Ihren Mitarbeitern ist in meinen Augen nicht schädlich. Auch eine enge Zusammenarbeit und ein Austausch können sich aus einem Sachzwang ergeben und sind zulässig, weil sie notwendig sind – das weiß das BAG schon seit 1977. Auch bei der Zusammenarbeit kommt es auf das „Wie“ an. Niemand darf Freelancern Anweisungen erteilen, auch Angestellte nicht. Das muss klar sein. Bitten darf hingegen jeder – auch der Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers. Natürlich kann man sich absprechen – auch an einem Schreibtisch in Ihren Räumlichkeiten. Aber bitte weisen Sie den Arbeitsplatz nicht zu. Wenn da ein Tisch frei ist, kann man mitteilen, dass der Freelancer diesen nutzen kann – wenn nicht remote gearbeitet wird. Trennen Sie die Systeme. Ein Freelancer darf keinen identischen Zugriff auf hausinterne Daten, wie Intranet oder ähnlichem haben. Wenn hingegen am System gearbeitet werden muss, dann muss es auch einen Zugang geben, welcher die Eigenschaften des externen Zugriffs mitbringt.
Dies sind nur die ersten, pauschalen Hinweise zur Beachtung. Wie das im speziellen Fall auszusehen hat, kann und muss man im Einzelfall prüfen. Weder ist das gruselig noch schwierig. Man muss sich ein bisschen Zeit nehmen. Ich schätze auf 30 Minuten, dann ist das Relevante identifiziert. Auf dem Weg dahin reicht das Wissen aus, worauf die Gerichte Wert legen: Selbständigkeit. Die muss man sehen, leben, fühlen. Und die Dokumentation muss so eindeutig diese Selbständigkeit beschreiben, dass Prüfer mit ihrer Arbeit schnell durch sind. Auch wenn die Rentenversicherung zunehmend ihre Entscheidungen von den Gerichten einkassiert bekommt, so muss man ja nicht den langen Weg gehen. Wenn der Hof gefegt ist, kann nur Willkür ein störendes Element werden.