Ob in der Automobilbranche, im Finanzsektor oder auch im produzierenden Gewerbe: Der War for Talents spitzt sich weiter zu – bis 2040 werden in Deutschland allein 663.000 IT-Fachleute fehlen, so Bitkom. Zum Vergleich: 2010 waren es gerade einmal 28.000. Was für Unternehmen jedoch zunehmend zu einem Bedrängnis wird, ist für viele Fachkräfte eine höchst komfortable Lage. Denn anstatt sich die Frage stellen zu müssen, ob sie überhaupt eine Arbeitsstelle finden, geht es bei ihnen vielmehr um das „Wo“ und vor allem „Wie“. Lieber selbstständig oder angestellt arbeiten? Beide Formen haben ihre Vor- und Nachteile. Welche Art der Beschäftigung besser zu Ihnen passt, lesen Sie hier.

Begriffsdefinition: Festangestellt und selbstständig

Was bedeutet Festanstellung?

Bei einem festangestellten Arbeitsverhältnis handelt es sich um eine langfristige und üblicherweise in Voll- oder Teilzeit ausgeführte Arbeit für einen Arbeitgeber.

Dabei hat sich die festangestellte Arbeitskraft mit dem Arbeitgeber über einen Arbeitsvertrag auf die spezifischen Konditionen geeinigt. Festangestellte haben zudem Anspruch auf gewisse Leistungen, wie Arbeitslosen- oder Rentenversicherung.

Was bedeutet Selbstständigkeit?

Selbstständig zu arbeiten bedeutet, selbst verantwortlich für einen wirtschaftlichen Betrieb zu sein. Dabei schreiben Selbstständige ihre eigene Rechnung, entscheiden, welche Projekte sie annehmen und kümmern sich dabei selbst um Versicherungen und steuerliche Aufgaben.

Lieber selbstständig oder angestellt? Das sind die Vor- und Nachteile

Vorteile der Selbstständigkeit

  • Sie haben hohe Flexibilität in der Zeitgestaltung und dem Arbeitsort
  • Sie haben jeden Monat die Chance, mehr zu verdienen
  • Sie haben keine Vorgesetzen und können frei entscheiden, welche Aufgaben Sie annehmen
  • Sie können sich Ihre Mitarbeitenden oder Teams in denen Sie arbeiten frei aussuchen

Vorteile des Angestelltenverhältnisses

  • Sie haben eine klare Struktur mit gesetzten Arbeitszeiten
  • Sie erhalten verlässliche Gehaltszahlungen, auch im Urlaubs- oder Krankheitsfall
  • Sie haben wenig Risiko, wenn es wirtschaftlich schlechter läuft
  • Sie müssen sich nicht selbst um Versicherungen und Steuerzahlungen kümmern

 

Nachteile der Selbstständigkeit

  • Sie haben ein höheres Risiko und müssen jeden Monat genug Geld für sich verdienen
  • Sie haben großen bürokratischen Aufwand rund um Versicherungen und Steuern
  • Oft arbeiten Selbstständige weitaus mehr als 40 Stunden

Nachteile des Angestelltenverhältnisses

  • Sie haben wenig Freiheit in der Gestaltung Ihrer Arbeitszeiten oder Ihres Arbeitsortes
  • Sie verdienen in vielen Fällen weniger als selbstständige Personen Ihres Faches
  • Sie müssen die Aufgaben erledigen, die Ihnen vorgeschrieben werden

 

Sie überlegen, sich selbstständig zu machen? Dann finden Sie hier hilfreiche Tipps und Tricks für alle, die Freelancer werden wollen!

Maximale Flexibilität oder eine klare Struktur?

Als Freelancerin bzw. Freelancer hat man die Freiheit und Flexibilität, sich die Arbeitszeit und den Arbeitsort frei einzuteilen und auszusuchen. So kann man das Arbeitsleben optimal an die persönlichen Bedürfnisse und den eigenen Lebensstil anpassen. Die Kehrseite: Aus einer Work-Life-Balance kann schnell ein Work-Life-Blending werden, die Arbeits- und Freizeit vermischen sich und eine klar definierte Zeit zur Erholung kann der ständigen Erreichbarkeit weichen.

Was jedoch nicht bedeutet, dass die generelle Arbeitszeit deutlich höher ist als bei Expertinnen und Experten in Festanstellung. Beträgt die Arbeitszeit bei Letzteren etwa 35 bis 40 Stunden pro Woche, bringen es Freiberufliche im Schnitt (Ausreißer gibt es natürlich immer) auf etwa 41 Wochenstunden, wobei ein Teil dieser Zeit für Akquise, Buchhaltung und Co aufgewendet wird. In einer Festanstellung fallen fachfremde Tätigkeiten eher weg und die Arbeitszeiten sind klar definiert – jedoch muss sich auch das Privatleben daran orientieren. Aufgrund der veränderten Arbeitswelt gibt es nun zwar flexiblere Arbeitsmodelle – von remote über Homeoffice bis hin zu hybriden Ansätzen –, unterm Strich ist man in einem freiberuflichen Arbeitsverhältnis jedoch nach wie vor flexibler.

Selbstständig oder angestellt: Freiheit und Ungebundenheit oder Safety First?

So schön die Freiheit als Freelancerin bzw. Freelancer auch ist – sie kommt nicht ohne zusätzliche Kosten. Während sich Festangestellte beispielsweise über ein festes Gehalt im Monat freuen können, im Krankheitsfall Lohnfortzahlung bekommen und manchmal Zusatzleistungen wie Weihnachtsgeld und leistungsbezogene Prämien erhalten, sieht es auf Seite der Selbstständigen nicht ganz so rosig aus: Weiterbildungen und Equipment müssen selbst bezahlt werden, im Krankheitsfall kommt kein Geld in die Kasse und für die Rente wird selbst vorgesorgt. Auch für Leerlaufzeiten bzw. Krisen muss ein Plan her – denn dass der stete Einkommensstrom trotz hoher Nachfrage nicht per se gesichert ist, hat beispielsweise die Pandemie bewiesen: Zu Beginn haben Unternehmen Projekte verschoben oder sogar abgebrochen. Laut einer 2020 getätigten Umfrage der Freelancer-Plattform projektwerk hatten 64% der Befragten Probleme dabei, neue Aufträge zu erhalten, ebenso viele hatten laufende Projekte durch Stornierungen verloren.

Beständiger Wandel oder Beständigkeit?

Der Arbeitsalltag von Freelancerinnen und Freelancern lässt sich durch das projektbasierte Arbeiten abwechslungsreich gestalten – Selbstständige haben die freie Wahl, für welches Projekt sie sich bewerben oder welchen Auftrag sie annehmen möchten. Damit ist es oft einfacher in neue Themen einzutauchen oder sich beruflich weiterzuentwickeln und das eigene Know-how zu erweitern. Jedes Projekt bringt neue Herausforderungen mit sich, die es zu meistern gilt. Das bedeutet im Umkehrschluss natürlich auch, sich regelmäßig mit neuen Inhalten, Tools und Problemen auseinandersetzen zu müssen. Dem gegenüber bietet die Festanstellung eine Kontinuität. Die Mitarbeitenden arbeiten über einen langen Zeitraum an ausgewählten Themen und haben wiederkehrende Aufgaben. Es ist somit wesentlich einfacher, sich tiefer in ein bestimmtes Thema einzuarbeiten und langfristige Geschäftsbeziehungen zu pflegen.

„Einsamer“ Wolf oder Rudeltier?

Freelancerinnen und Freelancer sind in der Regel auf sich allein gestellt. Zwar arbeiten sie mit Kunden zusammen, sind jedoch nie fester Teil des Unternehmens. Unter Umständen kann es also vorkommen, dass sie die Personen, die auch am Projekt beteiligt sind, gar nicht kennenlernen. Durch die orts- und zeitflexible Arbeitsweise kann schneller ein Gefühl der Einsamkeit entstehen als im festen Team, wo es jederzeit möglich ist, sich mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Andererseits haben Selbstständige die Möglichkeit, sich Projekte und auch Teampartnerinnen und Partner auszusuchen und unterschiedliche Unternehmen und Unternehmenskulturen kennenzulernen. Fühlen sie sich einmal im Projekt nicht wohl, können sie die Zusammenarbeit schneller beenden. Zudem gibt es mittlerweile einige Communitys, in denen sich Freelancerinnen und Freelancer untereinander austauschen und vernetzen können. Die Möglichkeit, Team und Arbeitgeber flexibel zu wechseln, besteht in der Feststellung nicht. Hier haben die Mitarbeitenden ein meist festes soziales Umfeld, sodass sie ihre Kolleginnen und Kollegen entweder jeden Tag im Büro sehen oder sich bei flexiblen Arbeitsmodellen virtuell austauschen können. Zudem sind sie durch Firmen- oder Teamevents oder gemeinsame Weiterbildungen in das Unternehmen integriert. Das macht es für Angestellte umso wichtiger, sich mit der Unternehmenskultur identifizieren zu können.

Verantwortung selbst balancieren oder auf mehreren Schultern verteilen?

Wer selbstständig ist, arbeitet selbstbestimmt und kann Projektinhalte und ihre Vorgehensweise frei strukturieren. Damit tragen sie natürlich auch die Verantwortung, das mit den Auftraggebern vereinbarte Ziel eigenständig zu erreichen oder nach dem Abschluss neue Projekte zu akquirieren. Sein eigener Chef, bzw. seine eigene Chefin zu sein, bedeutet in jedem Fall viel Bürokratie und administrativen Aufwand. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Thema Weiterbildung: Eigeninitiative ist gefragt und Fortbildungen müssen selbst gesucht und bezahlt werden.


In einer Festanstellung gibt es in der Regel einen vordefinierten Rahmen, in welchem Aufgaben erledigt werden sollen. Die enge Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen oder der Führungskraft eröffnet die Möglichkeit, sich durch den Austausch weiterzubilden und sein Know-how zu erweitern. Zusätzliche Weiterbildungen werden in der Regel vom Unternehmen organisiert und bezahlt.

Wer die Wahl hat, hat die Qual?

Wer Sicherheit, beständige Themen und ein konstantes soziales Umfeld bevorzugt, ist in der Festanstellung sicher gut aufgehoben. Ein geregeltes Einkommen und eine klare Struktur machen das Arbeitsleben, aber auch die freie Zeit besser planbar. Wer sich jedoch gerne in regelmäßigen Abständen neuen Herausforderungen stellt und dauerhafte Abwechslung im Arbeitsalltag sucht, ist mit dem Schritt in eine Selbstständigkeit gut beraten. Falls dieser am Anfang durch die hohe Verantwortung und Planungsunsicherheit zu groß scheint, kann sich dem Thema auch erst einmal schrittweise mit der Umsetzung von kleineren, nebenberuflichen Projekten genähert werden.

FAQ – Häufige Fragen

Welche Nachteile hat Selbstständigkeit?

  • Finanzielles Risiko
  • Bürokratischer Aufwand
  • Hohe Arbeitsbelastung

Wann lohnt sich Selbstständigkeit?

Um herauszufinden, ob sich der Sprung in die Selbstständigkeit lohnt, ist es wichtig, erst die eigenen Lebenserhaltungskosten, sowieso erwartbare Betriebskosten aufzulisten. Dazu kommt ein Businessplan, der geplante Ein- und Ausgaben vereint. So können Sie abschätzen, ob sich die Selbstständigkeit für Sie auszahlen könnte.

Welche Vorteile hat es, angestellt zu sein?

  • Klare Struktur im Alltag
  • Mehr (finanzielle) Sicherheit
  • Wenig bürokratischer Aufwand
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Arne Hosemann ist Mitgründer von Expertlead und verantwortet innerhalb der Geschäftsführung die Bereiche People, Product, Strategy, Finance und Operations. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen eine globale Community hochqualifizierter IT-Expert*innen aus den Bereichen Softwareentwicklung, Data Science, Produkt-/Projektmanagement, Solution Architecture und UX/UI-Design aufgebaut. Expertlead unterstützt Kunden beim Finden, Evaluieren und Einstellen von selbständigen wie auch festangestellten IT-Expert*innen. Neben dem Einsatz innovativer Recruiting-Software, setzt das Unternehmen dabei auf die Expertise der eigenen IT-Community, um die Qualifizierung von IT-Fachkräften anhand technischer Interviews von remote zu prüfen.

4 Kommentare

  1. Kai Bräutigam on

    Ein bisschen deplatziert das Thema in einem Magazin für Freelancer, oder nicht? Wie wäre es, das Thema ANÜ zu behandeln, denn leider scheint dies ja immer mehr Auftraggebern sicherer zu sein, als einen Freelancer zu engagieren. Stichwort: Scheinselbstständigkeit.

    • Björn Brand on

      Hallo Herr Bräutigam,
      herzlichen Dank für Ihren Hinweis zum Thema ANÜ, das nehmen wir gerne auf!
      Der Artikel richtet sich an diejenigen Freelancer, die noch am Anfang Ihrer Reise stehen und noch für sich herausfinden müssen, welches Arbeitsmodell den persönlichen Zielen am Besten entspricht.
      Natürlich muss ich Ihnen Recht geben, dass erfahrene Freelancer diese Entscheidung schon für sich getroffen haben und ein sehr gefestigtes Meinungsbild besitzen. Doch auch hier könnte es ja aufgrund von Änderungen im privaten Umfeld (z.B. Familienplanung, Reise- und Risikobereitschaft, Rente etc.) auch zu einer erneuten Abwägung der Situation kommen.
      Beste Grüße aus der Redaktion
      Björn Brand

  2. Kai Bräutigam on

    Ein bisschen deplatziert das Thema in einem Magazin für Freelancer, oder nicht? Wie wäre es, das Thema ANÜ zu behandeln, denn leider scheint dies ja immer mehr Auftraggebern sicherer zu sein, als einen Freelancer zu engagieren. Stichwort: Scheinselbstständigkeit.

    • Björn Brand on

      Hallo Herr Bräutigam,
      herzlichen Dank für Ihren Hinweis zum Thema ANÜ, das nehmen wir gerne auf!
      Der Artikel richtet sich an diejenigen Freelancer, die noch am Anfang Ihrer Reise stehen und noch für sich herausfinden müssen, welches Arbeitsmodell den persönlichen Zielen am Besten entspricht.
      Natürlich muss ich Ihnen Recht geben, dass erfahrene Freelancer diese Entscheidung schon für sich getroffen haben und ein sehr gefestigtes Meinungsbild besitzen. Doch auch hier könnte es ja aufgrund von Änderungen im privaten Umfeld (z.B. Familienplanung, Reise- und Risikobereitschaft, Rente etc.) auch zu einer erneuten Abwägung der Situation kommen.
      Beste Grüße aus der Redaktion
      Björn Brand

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