Das Thema der Trennungs- und Kündigungskultur ist zwar in Managementlehre und Ratgeberliteratur angekommen, allerdings vor allem mit Fokus auf der Freistellung von Festangestellten. Der Personalabbau in großen Freelancerprojekten ist häufig „unentdecktes Land“ für Entscheider und Betroffene. Felix Stein von der DomusAurea Consulting GmbH & Co KG zeigt auf wie man damit umgeht.

Teil 1: aus Perspektive des Freelancers


Eigentlich sollte es keinen IT-Freiberufler überraschen wenn ihm irgendwann mitgeteilt wird, dass man seine Dienste nicht mehr benötigt. Projekte sind schließlich per Definition von befristeter Dauer, so dass das Ende von Beginn an absehbar ist. Allerdings sorgen Art und Weise, Nachvollziehbarkeit oder Zeitpunkt der Trennung häufig für Schock und Verärgerung. Klassiker sind unpersönliche Mitteilungen in Serienmails (etwa mit Anrede Sehr geehrter Herr/Frau) oder in Powerpoint-Präsentationen (Punkt 12 von 30 – Entwicklung von Produkt X wird bis auf weiteres eingestellt). Mindestens ebenso schwer zu akzeptieren sind offensichtlich falsche Entscheidungen – kaum ein Leistungsträger wird es gelassen hinnehmen wenn er gehen muss während der Vertrag eines offensichtlich überforderten Kollegen verlängert wird. Zuletzt ist oft auch der Zeitpunkt der Trennung unglücklich gewählt, denn wer wenige Wochen vor den Sommerferien oder vor Weihnachten anfangen muss die Projektbörsen zu durchforsten, der wird Schwierigkeiten haben sofort einen Anschlussjob zu finden. Wenn es dann bereits mündliche Zusagen einer weiteren Zusammenarbeit gab die plötzlich vergessen sind, dann setzt das dem Fass die Krone auf. Kurz gesagt: Grund zur Wut gibt es oft genug, doch wie geht man damit um?

Wieso, weshalb, warum – die Sinnfrage hilft

Ein erster und ungemein hilfreicher Schritt ist es, sich in die Perspektive des Kundenvertreters hineinzuversetzen und zu überlegen warum er sich so verhalten und diese Entscheidung getroffen hat. Der erste Erklärungsversuch (weil er ein Depp ist) dürfte nur in Einzelfällen richtig sein, in den vielen Fällen wird man feststellen, dass man sich selbst in vergleichbaren Situationen ganz ähnlich verhalten hätte. So lässt sich eine vorzeitige Aufkündigung der Zusammenarbeit per Serienmail o.ä. meistens darauf zurückführen, dass der damit Beauftragte sich durch die Durchführung individueller Trennungsgespräche schlichtweg überfordert fühlen würde (wer einen Eindruck bekommen möchte welche Belastungen das Führen solcher Gespräche mit sich bringt, dem sei der Film Up in the Air mit George Clooney empfohlen). Auch die häufig nicht nachvollziehbare Auswahl der Trennungskandidaten lässt sich mit wenig schmeichelhaften aber sehr menschlichen Erklärungen nachvollziehen: viel zu wenige Auftraggeber haben die Expertise um fachlich beurteilen zu können wer in einem Projekt Leistung bringt und wer nicht. Und wenn eine Entscheidung einmal getroffen ist, dann fürchtet man bei einer Revidierung das Gesicht zu verlieren und beim eigenen Vorgesetzten als Durchsetzungsschwach zu gelten. Am banalsten ist schließlich die Erklärung von z.T. unmöglichen Trennungszeitpunkten: Sehr vielen Projekten geht einfach irgendwann das Geld aus, und ohne Geld können auch die Projektmitarbeiter nicht mehr bezahlt werden.

Jedes Ende kann ein Anfang sein

Doch bei allem Verständnis für die Situation des Kunden – als Betroffener bleibt die Frage „Wie gehe ich mit dieser Situation um“? Die Antwort darauf kann nur lauten: Professionell. Zu häufig führt die Enttäuschung über einen vorzeitig beendeten oder nicht verlängerten Projektvertrag dazu, dass destruktives Verhalten durchschlägt. Das kann Dienst nach Vorschrift bedeuten, das können schlecht vorbereitete Übergaben sein oder das kann im Extremfall heißen, dass man die letzten Tage oder Wochen gar nicht mehr ins Büro kommt. So nachvollziehbar solche wütenden Reaktionen auch sein mögen, mittelfristig ist zu erwarten, dass sie sich rächen werden. Im Projektgeschäft sieht man sich fast immer mehrmals, und wer seinen Ruf bei einem Kunden einmal versaut hat, der kann sich beim nächsten Projekt das Einreichen seines CV gleich sparen. Viel zielführender ist es als derjenige in Erinnerung zu bleiben der bis zum Ende konstruktiv geblieben ist, der alles sauber dokumentiert und übergeben hat und es seinem Kunden nicht noch schwerer gemacht hat als es ohnehin schon ist. Wer in guter Erinnerung ist, der wird auch beim nächsten Projekt dabei sein – zumindest bis zur nächsten vorzeitigen, nicht nachvollziehbaren Trennung.

Ließ hier den 2.Teil: Geh – und geh in Frieden (aus Managementsicht)

Dieser Artikel ist erstmals erschienen in der Printausgabe des IT Freelancer Magazins (Ausgabe 6/2013). Ausgesuchte Artikel der Print-Ausgabe werden nach und nach online gestellt.

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Felix Stein ist Consultant bei der DomusAurea Consulting, einer Unternehmensberatung aus Bonn mit den Schwerpunkten Strategieentwicklung, agiles IT-Projektmanagement (v.a. Scrum) und Test-/Qualitätsmanagement. Wenn er nicht gerade auf Projekten unterwegs ist veröffentlicht er seine Einsichten und Ansichten auf seinem Blog.

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